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Aktivisten warnen nach weiterer Hinrichtung im Iran vor Massenexekutionen
Aktivisten warnen nach weiterer Hinrichtung im Iran vor Massenexekutionen / Foto: - - AFP

Aktivisten warnen nach weiterer Hinrichtung im Iran vor Massenexekutionen

Aktivisten haben nach der zweiten Hinrichtung im Zusammenhang mit den seit fast drei Monaten anhaltenden Protesten im Iran vor Massenexekutionen gewarnt. Es bestehe die "ernste Gefahr von Massenhinrichtungen von Demonstranten", sagte der Direktor der in Oslo ansässigen Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR), Mahmood Amiry-Moghaddam, am Montag der Nachrichtenagentur AFP. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnte vor weiteren Einschüchterungsversuchen der iranischen Behörden und begrüßte das neue EU-Sanktionspaket, das am Nachmittag beschlossen werden sollte.

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Die iranische Justiz hatte zuvor am Dienstag die zweite Hinrichtung eines Demonstranten bekannt gegeben. Madschidresa Rahnaward wurde in der Stadt Maschhad im Nordosten des Iran öffentlich gehängt. Der 23-Jährige war wegen der Tötung von zwei Sicherheitsbeamten und der Verletzung von vier weiteren Menschen zum Tode verurteilt worden.

Seine Hinrichtung war die erste öffentliche Exekution im Zusammenhang mit den Protesten. IHR-Direktor Amiry-Moghaddam bezeichnete sie als "eine deutliche Eskalation der Gewalt gegen Demonstranten". Dem Onlinemediendienst 1500tasvir zufolge wurde Rahnawards Familie erst nach der Hinrichtung informiert.

Es drohten "weitere Hinrichtungen", "weitere Einschüchterungsversuche", warnte Außenministerin Baerbock am Rande eines Treffens mit ihren EU-Kollegen in Brüssel. Bei dem Treffen wollten die EU-Außenminister ein weiteres Sanktionspaket gegen den Iran auf den Weg bringen, das sich laut Baerbock "insbesondere an diejenigen richtet, die für diese unglaublichen Verbrechen verantwortlich sind". Im Visier seien insbesondere die Revolutionsgarden des Landes.

Während der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell von einem "sehr harten Sanktionspaket" sprach, kritisierte die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Renata Alt (FDP), es als unzureichend. "Es reicht nicht, einige weitere Mitglieder der Revolutionsgarden zu sanktionieren", erklärte die FDP-Politikerin. Deutschland und die EU müssten jetzt "ein starkes Zeichen der Unterstützung" für die Demonstranten und die Inhaftierten im Iran senden.

Vergangenen Donnerstag hatten die iranischen Behörden das erste Todesurteil im Zusammenhang mit den Protesten vollstreckt. Dem 23-jährigen Mohsen Schekari war vorgeworfen worden, bei einer Straßenblockade in Teheran ein Mitglied der paramilitärischen Basidsch-Milizen verletzt zu haben.

Menschenrechtsorganisationen hatten am Wochenende bereits vor weiteren Hinrichtungen gewarnt. Die iranische Justiz hat nach eigenen Angaben elf Menschen im Zusammenhang mit den Protesten zum Tode verurteilt. Aktivisten zufolge sind jedoch Anschuldigungen gegen rund ein dutzend weiterer Menschen erhoben worden, denen ebenfalls die Todesstrafe droht.

"Kein ordentliches Verfahren. Scheinprozesse. So wollen sie die landesweiten Proteste stoppen", erklärte Omid Memarian, Iran-Experte bei Democracy for the Arab World Now (Dawn).

So wurde Amnesty International zufolge etwa der 22-jährige Mahan Sadrat, der am 3. November in einem "unfairen" Schnellverfahren zum Tode verurteilt worden war, am Samstag in das Radschai-Schahr-Gefängnis nahe Teheran verlegt. Dies wecke "die Befürchtung einer unmittelbar bevorstehenden Hinrichtung", sagte Amnesty. Er wurde demnach für schuldig befunden, während der Proteste ein Messer gezückt zu haben, was er vor Gericht jedoch entschieden bestritt.

Nach IHR-Angaben wurden bislang mindestens 458 Menschen im Zusammenhang mit den Protesten getötet. Darunter sind laut einem aktuellen Amnesty-Bericht mindestens 44 Minderjährige. In mindestens 13 Fällen zwangen die Behörden die Familien demnach zu schriftlichen Stellungnahmen oder Videoaufnahmen, in denen sie die Sicherheitskräfte von jeglicher Schuld am Tod ihrer Kinder freisprechen mussten.

Der Iran wird seit Monaten von heftigen Protesten erschüttert. Ausgelöst wurden sie durch den Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini am 16. September. Die 22-Jährige war nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei wegen eines angeblich nicht ordnungsgemäß getragenen Kopftuchs gestorben. Aktivisten werfen der Polizei vor, die junge Frau misshandelt zu haben.

D.Richter--MP