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Pannen bei Bundestagswahl in Berlin beschäftigen Bundesverfassungsgericht
Pannen bei Bundestagswahl in Berlin beschäftigen Bundesverfassungsgericht / Foto: PAUL ZINKEN - AFP/Archiv

Pannen bei Bundestagswahl in Berlin beschäftigen Bundesverfassungsgericht

Fehlende oder falsch ausgegebene Stimmzettel, lange Wartezeiten, vorübergehend geschlossene Wahlräume: Die vielen Pannen bei der Bundestagswahl 2021 in Berlin beschäftigen seit Dienstag das Bundesverfassungsgericht. Es verhandelte in Karlsruhe darüber, wo und wie genau die Wahl wiederholt werden muss. Dabei ging es schnell um Grundsätzliches. (Az. 2 BvC 4/23)

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Nach der Wahl am 26. September 2021 hatte es mehr als 1700 Einsprüche gegeben, unter anderem vom damaligen Bundeswahlleiter selbst - ein bislang einmaliger Vorgang, wie dessen Nachfolgerin Ruth Brand in Karlsruhe sagte. Der Bundestag beschloss im November 2022 auf Vorschlag des Wahlprüfungsausschusses hin eine teilweise Wiederholung der Wahl. Diese soll in einem Fünftel der Berliner Wahlbezirke stattfinden.

CDU und CSU ist das nicht genug, weswegen sich die Unionsfraktion im Bundestag mit einer Wahlprüfungsbeschwerde an das Verfassungsgericht wandte. Sie befürchtet einen "massiven Vertrauensverlust" in die Legitimität der Wahl und will erreichen, dass in der Hälfte der Berliner Wahlkreise die Zweitstimmen - für die Parteilisten - neu abgegeben werden sollen, die Erststimmen für Direktkandidaten aber nur in zwei Wahlkreisen.

Das Gericht will nun die bisherigen Maßstäbe für Wahlfehler überprüfen, wie dessen Vizepräsidentin Doris König am Dienstag ankündigte. Unter anderem stellen sich den Richterinnen und Richtern die Fragen, wie entscheidend lange Wartezeiten und eine dadurch bedingte späte Abgabe der Stimme erst deutlich nach 18.00 Uhr sind.

Wahlleiterin Brand hält zu lange Wartezeiten an sich bereits für einen Wahlfehler. Die Frage müsse "lebensnah" betrachtet werden, argumentierte sie in Karlsruhe. Wenn Menschen lange in der Schlange stünden und das in den sozialen Netzwerken veröffentlichten, könnte das andere davon abhalten, wählen zu gehen.

Auch der neue Berliner Wahlleiter Stephan Bröchler wurde befragt, der den Posten im Herbst vergangenen Jahres übernommen hatte. Er berichtete von einigen Gründen für die Probleme: So habe es wegen der Pandemie eine Skizze mit Hygienevorschriften gegeben. Nach Betrachten der Zeichnung seien viele Bezirke irrtümlicherweise davon ausgegangen, dass es pro Wahllokal nur zwei Kabinen geben dürfe.

Auch seien drei Minuten als Durchschnittswert für die Dauer eines Wahlvorgangs angenommen worden. Das Wählen dauerte aber meist länger - Berlinerinnen und Berliner wählten an dem Tag nicht nur einen neuen Bundestag, sondern auch ein neues Landesparlament und neue Bezirksverordnetenversammlungen und stimmten außerdem in einem Volksentscheid ab. Bröchler sprach von einem "Wahldesaster".

Auch die Arbeit des Wahlprüfungsausschusses im Bundestag beschäftigte das Gericht. Dieser hatte sich auf eine Auswertung der früheren Berliner Landeswahlleiterin gestützt, aber nicht alle knapp 2300 Protokolle der Berliner Wahlbezirke einzeln ausgewertet. Deren Beweiswert sei ohnehin gering gewesen, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Philipp Hartewig. Johannes Fechner von der SPD verwies darauf, dass der Ausschuss schnell entscheiden musste.

Für die mündliche Verhandlung wurden zwei Tage angesetzt. Ein Urteil soll in dieser Woche aber noch nicht fallen, erfahrungsgemäß dauert es einige Monate bis dahin. Nach der Entscheidung müsste die Wahlwiederholung innerhalb von 60 Tagen stattfinden. Große Veränderungen dürfte es dadurch im Parlament aber nicht geben - dafür ist Berlin als Bundesland zu klein.

Die AfD zog wegen des Bundestagsbeschlusses über die Teilwiederholung ebenfalls nach Karlsruhe. Sie fordert eine komplette Wiederholung im ganzen Land Berlin. Über ihre Beschwerde wurde am Dienstag aber nicht verhandelt. Auch die Berliner Abgeordnetenhauswahl, die am selben Tag stattfand wie die Bundestagswahl, spielte keine Rolle. Diese wurde bereits im Februar komplett wiederholt.

H.Klein--MP