Ampelkoalition bringt Infektionsschutzgesetz trotz Bedenken auf den Weg
Die Ampelkoalition hat ungeachtet der Bedenken in den eigenen Reihen und den Ländern das neue Infektionsschutzgesetz auf den Weg gebracht. Das Parlament beriet am Mittwoch in erster Lesung die Neuregelung, die einen Corona-Basisschutz nach Auslaufen der bisherigen Regelungen ablösen soll. Grüne und SPD machten in der Debatte deutlich, dass sie sich härtere Regeln gewünscht hätten. Dies scheiterte am Nein der FDP.
Die Grünen machten in der Debatte keinen Hehl aus ihrem Unbehagen mit dem Kurs der Koalition in der Pandemiepolitik. Die nach langem Ringen erzielte Einigung sei ein Kompromiss, "der uns Grüne nicht zufriedenstellt", sagte die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink in der Debatte. Es sei aber das, was in der Koalition miteinander habe verabredet werden können.
Die bisherigen Corona-Eindämmungsmaßnahmen gelten nur noch bis Samstag. Für die Zeit ab Sonntag sieht der Gesetzentwurf vor, dass danach nur noch einige wenige Maßnahmen fortgelten. Weiterreichende Schutzmaßnahmen können unter bestimmten Umständen in Pandemie-Hotspots erneut eingeführt werden. Das Gesetz soll am Freitag von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden.
Es sei "sehr schwierig, dazu zu stehen", räumte Klein-Schmeink mit Blick auf die Gesetzesvorlage ein. Die jetzt geplanten Basisschutzmaßnahmen seien aber besser, als gar keine Vorgaben mehr zu haben.
Die SPD-Politikerin Sonja Eichwede bezeichnete das neue Infektionsschutzgesetz als hart errungenen Kompromiss. Auch sie sei für weitergehende Maskenpflichten gewesen. Die FDP habe zugesagt, dass "gegebenenfalls nachgesteuert werden kann".
Harsche Kritik an der geplanten Neuregelung äußerten Politiker von Union und Linken. Der CDU-Abgeordnete Hendrik Hoppenstedt erklärte, der Entwurf lasse ihn angesichts der angespannten Pandemie-Lage mit Rekord-Inzidenzen "einigermaßen fassungslos zurück". Die FDP habe ihre Koalitionspartner "in Geiselhaft genommen". Ein "echter Basisschutz" sei ab Sonntag nur noch in Hotspots möglich. Für deren Ausweisung gebe es aber zu hohe Hürden.
Der Linken-Abgeordnete Ates Gürpinar kritisierte, die Regierung wolle "nahezu alle" Regelungen abschaffen, die die Inzidenzen "beherrschbar" machten. Die FDP habe sich durchgesetzt und beharre darauf, dass das Land zur Normalität zurück müsse.
Die FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus wies die Kritik zurück. Der Gesetzentwurf schütze "besonders die vulnerablen Gruppen", etwa in Pflegeheimen. In allen anderen Bereichen aber werde auf "die Eigenverantwortung der Bürger" gesetzt. Das Land müsse lernen, "im Alltag mit diesem Virus zu leben".
Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wies die Kritik der Länder am neuen Infektionsschutzgesetz zurück. "Die Situation hat sich dahingehend verändert, dass wir mit der Omikron-Variante nicht mehr diese hohen Hospitalisierungsquoten haben", sagte er der "Radiowelt am Morgen" des Bayerischen Rundfunks.
Allerdings entwickle sich die Lage derzeit schlecht, es drohe erneut eine Überlastung des Gesundheitssystems, warnte der Minister. Deshalb forderte Lauterbach die Bundesländer auf, großzügig von den Hotspot-Regeln Gebrauch zu machen, um auf besonders hohe Infektionsgeschehen zu reagieren. Die Lage sei derzeit deutlich schlechter als die Stimmung.
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, setzte sich dafür ein, Maßnahmen wie die Maskenpflicht in sensiblen Bereichen vorerst beizubehalten. "Wir halten es für notwendig, dass bestimmte Vorschriften, zum Beispiel das Maske-Tragen im Einzelhandel, solange die Infektionszahlen so hoch sind, vorgegeben werden", sagte er dem Sender Phönix. "Wir befinden uns in einer problematischen Situation", betonte der DKG-Chef in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwochsausgabe). Die Inzidenz sei auf Rekordhöhe, die Belegung auf Normalstationen steige.
A.Fischer--MP