Nawalny droht nach Verurteilung wegen Veruntreuung mehrjährige Haftverlängerung
Der inhaftierte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ist in einem weiteren umstrittenen Strafverfahren der Veruntreuung schuldig gesprochen worden. "Nawalny hat Betrug begangen - den Diebstahl von fremdem Eigentum durch eine organisierte Gruppe", sagte Richterin Margarita Kotowa am Dienstag bei dem Prozess in einer Strafkolonie östlich von Moskau, wie eine AFP-Reporterin berichtete. Dem 45-Jährigen, der auch wegen Missachtung des Gerichts in einem früheren Verfahren für schuldig befunden wurde, droht nun eine mehrjährige Verlängerung seiner Haft.
Nawalny und seine Anwälte weisen die Vorwürfe zurück und sprechen von "politischer Verfolgung". Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International verurteilten den Prozess als Farce.
Der Widersacher von Russlands Staatschef Wladimir Putin erschien in seiner schwarzen Gefängnisuniform in dem improvisierten Gerichtsaal in der Strafkolonie. Journalisten verfolgten die Urteilsverkündung per Video-Übertragung.
Nawalny hörte aufmerksam zu, als die Richterin am Dienstagvormittag (Ortszeit) begann, das Urteil zu verlesen, und lächelte einige Male. Bis zur Verkündung des Strafmaßes könnten mehrere Stunden vergehen.
Nawalny sitzt in der hundert Kilometer östlich von Moskau gelegenen Strafkolonie in Pokrow eine zweieinhalbjährige Haftstrafe wegen Betrugs ab, zu der er vor gut einem Jahr verurteilt worden war. Die Staatsanwaltschaft forderte in dem neuen Verfahren in der vergangenen Woche wegen Veruntreuung und Missachtung des Gerichts insgesamt 13 Jahre Haft für Nawalny.
Der zweite Vorwurf bezieht sich auf ein früheres Verfahren. Nawalny habe "das Gericht missachtet, indem er eine Richterin beschimpfte", sagte Richterin Kotowa. Die mögliche Höchststrafe für den Tatbestand der Veruntreuung beträgt in Russland zehn Jahre Haft. Auf die Missachtung von Gerichtsauflagen stehen bis zu sechs Monate Haft.
Der Anklagepunkt der Veruntreuung bezieht sich auf Vorwürfe, wonach Nawalny an seine politischen Organisationen gezahlte Spendengelder in Höhe von mehreren Millionen Euro für persönliche Zwecke genutzt haben soll.
Auf Nawalny war im August 2020 in Russland ein Anschlag mit einem Nervengift aus sowjetischer Produktion verübt worden, den er nur knapp überlebte. Nach mehrmonatiger medizinischer Behandlung in Deutschland kehrte er im Januar vergangenen Jahres nach Russland zurück, wo er umgehend festgenommen wurde. Der Kreml-Kritiker macht den russischen Präsidenten Wladimir Putin für seine Vergiftung verantwortlich. Moskau weist die Vorwürfe zurück.
Seit seiner Inhaftierung gehen die russischen Behörden massiv gegen Nawalnys Unterstützer vor. Seine Regionalorganisation sowie seine Anti-Korruptionsstiftung wurden verboten. Nawalny selbst sowie einige seiner Mitstreiter wurden im Januar auf eine offizielle Liste von "Terroristen und Extremisten" gesetzt.
Nawalnys Anti-Korruptionsstiftung hatte in den vergangenen Jahren eine Reihe Aufsehen erregender Videos über den Reichtum von Vertretern der russischen Elite veröffentlicht. Der 45-jährige Oppositionelle äußert auch vom Gefängnis aus immer wieder heftige Kritik am Kreml. Ende Februar hatte Nawalny seine Anhänger im Online-Dienst Instagram aufgerufen, gegen den russischen Militäreinsatz in der Ukraine auf die Straße zu gehen.
A.Roth--MP