Trump als erster ehemaliger US-Präsident in Strafprozess schuldig gesprochen
Historisches Urteil gut fünf Monate vor der US-Präsidentschaftswahl: Als erster früherer US-Präsident ist Donald Trump in einem Strafprozess schuldig gesprochen worden. Die Geschworenen befanden den 77-Jährigen am Donnerstag im Schweigegeldverfahren in allen 34 Anklagepunkten für schuldig. Trump bezeichnete sich daraufhin als "politischen Gefangenen". Sein Strafmaß soll allerdings erst am 11. Juli verkündet werden, als wahrscheinlich gilt eine Geld- oder Bewährungsstrafe. Trumps Verteidiger kündigten schnellstmögliche Berufung an.
Richter Juan Merchan dankte den zwölf Geschworenen für die Bewältigung ihrer "schwierigen und stressigen Aufgabe". Die Jury hatte über zwei Tage hinweg insgesamt mehr als elf Stunden beraten, bevor sie ihre mit der erforderlichen Einstimmigkeit getroffene Entscheidung verkündete.
Trump nahm das Urteil im Gerichtssaal im Stadtbezirk Manhattan schweigend und mit hängenden Schultern auf. Beim Hinausgehen sprach er dann vor Reportern von einer "Schande" und einem "manipulierten Prozess". Das "wahre Urteil" werde bei der Präsidentschaftswahl am 5. November gefällt, sagte Trump. Er sei unschuldig. "Ich kämpfe für unser Land. Ich kämpfe für unsere Verfassung."
Trumps Anwalt Todd Blanche kündigte im US-Sender CNN an, so schnell wie möglich nach der Strafmaßverkündung Berufung einzulegen. Das Berufungsverfahren dürfte sich bis nach der Wahl hinziehen.
Trumps Kampagne veröffentlichte kurz nach dem Schuldspruch einen Spendenaufruf mit dem Titel "Ich bin ein politischer Gefangener!". Der Trump-Anhänger und republikanische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, sprach von einem "beschämenden Tag in der Geschichte Amerikas".
Das von Richter Merchan festgelegte Datum für das Strafmaß liegt nur vier Tage vor Beginn des Parteitags der oppositionellen Republikaner, auf dem sie Trump voraussichtlich zu ihrem Präsidentschaftskandidaten ernennen werden. Er will erneut gegen Amtsinhaber Biden antreten, der ihn bei der Wahl 2020 besiegt hatte.
Selbst eine Haftstrafe, die als unwahrscheinlich gilt, würde Trump nicht an einer Präsidentschaftskandidatur hindern. Die US-Verfassung verbietet es nicht einmal, das Präsidentenamt in Haft auszuüben.
Das Weiße Haus erklärte nach dem Urteil lediglich, es respektiere die Rechtsstaatlichkeit. Biden verzichtet bislang weitgehend auf Kommentare zu Trumps juristischen Problemen - er will dem Vorwurf seines Rivalen, es handle sich um politisch motivierte Verfahren, keinen Vorschub leisten.
Bidens Wahlkampfteam reagierte auf den Schuldspruch mit einem Wahlaufruf. Die Jury-Entscheidung zeige, dass "niemand über dem Gesetz steht". Sie ändere jedoch nichts daran, dass die Bürger mit einer "einfachen Realität" konfrontiert seien: "Es gibt weiterhin nur einen Weg, Donald Trump aus dem Oval Office herauszuhalten: an der Wahlurne."
Trump wurde für schuldig befunden, eine Schweigegeldzahlung in Höhe von 130.000 Dollar (nach heutigem Wert etwa 120.000 Euro) an die frühere Pornodarstellerin Stormy Daniels vor der Wahl 2016 per Fälschung von Geschäftsdokumenten vertuscht zu haben. Stormy Daniels war durch die Zahlung dazu gebracht worden, eine angebliche Sexaffäre zu verschweigen, die sie mit Trump gehabt haben will und die von diesem bestritten wird.
Trumps Ex-Anwalt Michael Cohen, welcher der wichtigste Zeuge der Anklage war, sagte im Prozess aus, er habe das Schweigegeld mit Trumps Einverständnis gezahlt. Laut Anklage bekam Cohen dieses vom Trump-Konzern getarnt als Anwaltskosten zurückerstattet. Cohen, der sich zu einem erbitterten Gegner von Trump gewandelt hat, sprach nach dem Schuldspruch von einem "wichtigen Tag" für die Rechtsstaatlichkeit.
Die politischen Auswirkungen des Urteils sind nicht abzusehen. Robert F. Kennedy, ein Anhänger von Verschwörungsmythen und unabhängiger Präsidentschaftskandidat, erklärte im Onlinedienst X, der Schuldspruch gegen Trump könne "nach hinten losgehen".
Der Politologe Keith Gaddie von der Texas Christian University sagte, zwar werde es vermutlich keine große Bewegung bei den Wählerstimmen geben. In US-Bundesstaaten mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen könne der Schuldspruch aber "die Dinge von einer Richtung in die andere kippen".
In einer kurz vor der Jury-Entscheidung veröffentlichten Umfrage für die Sender NPR und PBS gaben immerhin zehn Prozent der republikanischen und elf Prozent der parteiunabhängigen Wähler an, dass bei einem Schuldspruch ihre Stimmabgabe für Trump weniger wahrscheinlich sei. Da ein erneut sehr knappes Rennen zwischen Trump und Biden erwartet wird, könnten nur wenige Prozentpunkte wahlentscheidend sein.
Trump ist noch in drei weiteren Fällen strafrechtlich angeklagt. In zwei davon geht es um seine Versuche, seine Wahlniederlage von 2020 gegen Biden nachträglich zu kippen, im dritten Fall um seine Mitnahme geheimer Regierungsdokumente in seine Privatresidenz im Bundesstaat Florida. Wann die Prozesse zu diesen Fällen beginnen könnten, ist jedoch völlig offen.
A.Meyer--MP