EuGH erklärt Thermofenster in Dieselfahrzeugen für unzulässig
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Thermofenster, welche die Abgasreinigung in Dieselfahrzeugen bei üblichen Temperaturen reduzieren, für unzulässig erklärt. Eine Ausnahme sei möglich, wenn es nachweislich den Motor vor schweren plötzlichen Risiken und so die Fahrer vor Gefahren schütze, entschied der EuGH am Donnerstag in Luxemburg. Auch dann wäre eine solche Abschalteinrichtung aber nicht erlaubt, wenn sie meistens unter normalen Bedingungen laufen müsse. (Az. C-128/20 u.a.)
Für die Abgasreinigung in Dieseln wird ein Teil der Abgase in den Motor zurückgeleitet und erneut verbrannt. Mit dem Thermofenster wird dies bei besonders warmen und vor allem kühleren Außentemperaturen reduziert oder gestoppt, weswegen die Fahrzeuge dann mehr Stickoxide ausstoßen. In den Fällen am EuGH ging es um Klagen aus Österreich gegen Volkswagen und zwei Autohändler. Die Autokäufer forderten den Kaufpreis zurück.
Die mit den Fällen befassten österreichischen Gerichte fragten den EuGH, ob das Thermofenster zulässig sei. Dessen Einschätzung ist aber auch für andere nationale Gerichte bindend, weswegen sie Auswirkungen auf Fälle in der ganzen EU haben kann. Die österreichischen Gerichte müssen nun prüfen, ob das Thermofenster in den konkreten Fällen zum Motorschutz notwendig war und ob es keine andere Lösung gab.
Sie gingen davon aus, dass der schadstoffarme Modus nur bei Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius sowie bei unter 1000 Höhenmetern gewährleistet sei. Volkswagen machte vor dem EuGH geltend, dass es um die Ladelufttemperatur im Motor gehe, die durchschnittlich höher sei. Der EuGH erklärte nun aber, allein das vorlegende nationale Gericht sei für die Beurteilung des Sachverhalts zuständig.
Würden die Emissionsgrenzwerte nur bei einer Außentemperatur zwischen 15 und 33 Grad und unter 1000 Höhenmetern eingehalten, handle es sich um eine Abschalteinrichtung. Er wies auch darauf hin, dass niedrigere Temperaturen in der EU normal seien und die Abgasgrenzwerte auch dann eingehalten werden müssten.
Selbst wenn eine Abschalteinrichtung dem Schutz vor plötzlichen Gefahren diene, aber dafür unter normalen Betriebsbedingungen den größten Teil des Jahres funktionieren müsse, sei dies nicht zulässig. Sonst könnte die Ausnahme häufiger angewandt werden als das Verbot, erklärte der EuGH. Die Erstattung des Kaufpreises schloss er nicht aus - darüber müssen aber im Einzelfall die nationalen Gerichte entscheiden.
Der Autobauer Volkswagen erklärte nach der Entscheidung, er sehe sich in seiner Rechtsauffassung bestätigt: "Nach den Kriterien, die der EuGH in seinem Urteil aufgestellt hat, bleiben die in Fahrzeugen des VW-Konzerns verwendeten Thermofenster zulässig." Sie schützten vor unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigungen oder Unfall.
Der österreichische Verbraucherschutzverein teilte dagegen mit: "Damit ist Schluss mit der Argumentation der Dieselhersteller und auch deutscher Behörden, dass diese Thermofenster für die Schonung des Motors dienen und daher legal seien."
Auch Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, erklärte: "Das Gericht bestätigt, wofür wir seit Jahren kämpfen: Nicht der Prüfstand im Labor ist das Maß der Dinge, sondern das Abgasverhalten der Fahrzeuge im normalen Betrieb auf der Straße." Kraftfahrtbundesamt (KBA) und Bundesverkehrsministerium müssten noch vor Beginn des Winterhalbjahres alle betroffenen Diesel zurückrufen und auf Kosten der Hersteller mit wirksamer Abgasreinigung nachrüsten lassen, forderte er. Die Umwelthilfe klagt eigenen Angaben zufolge zu knapp 100 Modellen verschiedener Hersteller gegen das KBA; eins der Verfahren liegt ebenfalls vor dem EuGH.
Das KBA hatte Software-Updates mit Thermofenster zugelassen. Die Updates waren von Volkswagen unter anderem aufgespielt worden, um die illegalen Manipulationen im Dieselskandal zu beheben. Tatsächlich nutzen die meisten Autobauer Thermofenster. Der Bundesgerichtshof hat Schadenersatzklagen von Fahrzeugkäufern allein wegen des Thermofensters bislang zurückgewiesen.
G.Loibl--MP