Kabinett bringt Gesetze zur Digitalisierung im Gesundheitswesen auf den Weg
Die Bundesregierung treibt die Digitalisierung im Gesundheitswesen voran. Von Anfang 2025 an soll für alle gesetzlich Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) vorliegen; bereits ab 2024 soll das digitale E-Rezept zum verbindlichen Standard bei der Arzneimittelversorgung werden: Dies sind die Kernpunkte eines Gesetzes aus dem Bundesgesundheitsministerium, welches das Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedete. Ein ebenfalls verabschiedeter Entwurf soll die digitale Nutzung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken erleichtern. Die Beschlüsse stießen überwiegend auf Zustimmung.
Für Patientinnen und Patienten werden sich durch die Digitalisierung Änderungen beim Arztbesuch und bei der Verschreibung von Medikamenten ergeben. Mit der Einführung der ePA sollen die Versicherten künftig eine vollständige, weitestgehend automatisch erstellte, digitale Medikationsübersicht erhalten.
In enger Verknüpfung mit dem E-Rezept sollen so laut Bundesgesundheitsministerium "ungewollte Wechselwirkungen von Arzneimitteln besser vermieden werden". Ärztinnen und Ärzte sollten dadurch im Behandlungsprozess unterstützt werden.
Die Nutzung der elektronischen Akte ist nicht zwingend. Versicherte, die dies nicht wollen, können der ePA in einem so genannten Opt-Out-Verfahren widersprechen.
Bereits zum bevorstehenden Jahreswechsel sollen ärztliche Verschreibungen in der Regel per E-Rezept erfolgen, wie das Ministerium mitteilte. Die Nutzung solcher Rezepte solle durch die Einführung einer ePA-App für das Handy "stark vereinfacht" werden.
Mit den vom Kabinett verabschiedeten Vorlagen "bauen wir in Deutschland eine der modernsten medizinischen Digitalinfrastrukturen in Europa auf", erklärte Minister Lauterbach. "Damit starten wir sowohl im Versorgungsalltag wie in der Forschung eine Aufholjagd."
Auf die gesetzlichen Kassen kommen mit der geplanten Digitalisierung erhebliche Kosten zu. In Lauterbachs Gesetzentwurf werden diese auf "einmalig" rund 789 Millionen Euro geschätzt, die im Zeitraum von 2024 bis 2026 anfallen sollen.
Der ebenfalls bei der Kabinettsklausur in Meseberg verabschiedete Entwurf zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz soll laut Ministerium "die Grundlage für eine bessere Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten schaffen", um den Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland "an die Weltspitze heranzuführen".
Zentraler Bestandteil sei die "erleichterte Nutzbarkeit von Gesundheitsdaten für gemeinwohlorientierte Zwecke", erklärte Lauterbachs Ministerium. Dazu werde unter anderem eine dezentrale Gesundheitsdateninfrastruktur mit einer zentralen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für die Nutzung von Gesundheitsdaten aufgebaut.
Die Gesundheitsdaten sollen unter anderem anonymisiert aus den elektronischen Patientenakten für Forschungszwecke weitergegeben werden können. Auch hier können Patientinnen und Patienten Widerspruch einlegen.
Die Betriebskrankenkassen begrüßten die Beschlüsse, forderten jedoch weitere Neuerungen. Niedergelassene Ärzte sollten etwa in einem bestimmten Rahmen und in Notfällen dazu verpflichtet sein, eine Videosprechstunde anzubieten, erklärte der Vorstandschef des BKK-Dachverbands, Franz Knieps.
Auch die gesetzlichen Kassen zeigten sich grundsätzlich zufrieden. "Digitalgesetz und Gesundheitsdatennutzungsgesetz stellen wichtige und dringend nötige Weichen für ein digitales Gesundheitswesen", erklärte GKV-Vorstandschefin Doris Pfeiffer. Gleichzeitig sollte die "ePA für alle" laut GKV erst zum 1. Juli 2025 kommen, damit die Kassen mehr Zeit zur Vorbereitung sowie für die Aufklärung ihrer Versicherten haben.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz zeigte sich dagegen grundsätzlich kritisch gegenüber den geplanten Widerspruchsmöglichkeiten. "Schweigen bedeutet nicht Zustimmung", erklärte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. "Vollkommen abgehängt werden zudem Menschen, die keinen Zugang zum Internet haben."
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) begrüßte die Pläne. "Der Zugang und die Nutzung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken ist von entscheidender Bedeutung, um Deutschland zu einem attraktiven Forschungsstandort für die industrielle Gesundheitswirtschaft zu machen", erklärte Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung.
G.Vogl--MP