Israel gedenkt der Opfer des Hamas-Angriffs vor einem Jahr - Hamas feuert erneut Raketen ab
Schweigeminuten, Gedenkfeiern, Ansprachen und viele Tränen: Am Jahrestag des Hamas-Überfalls auf Israel haben die Menschen in dem Land und weltweit am Montag der Opfer der brutalen Attacke gedacht. Am Gedenkort des Nova-Musikfestivals im Süden des Landes hielten die Anwesenden im Beisein von Israels Präsident Isaac Herzog um genau 06.29 Uhr - dem Beginn des Massakers vor einem Jahr - eine Schweigeminute ab. Weltweit bekundeten Regierungsvertreter ihre Solidarität mit den Opfern. Das Gedenken in Israel wurde allerdings überschattet von erneuten Hamas-Raketenangriffen.
Vor Beginn der Schweigeminute nahe des Kibbuz Reim, wo vor einem Jahr fast 400 Festivalteilnehmer getötet wurden, waren minutenlang die hypnotischen Klänge des letzten Musikstücks zu hören, das an jenem Morgen gespielt wurde - bevor die Musik abrupt abbrach. Unter den Teilnehmern der Veranstaltung waren zahlreiche Angehörige der Opfer, viele in Tränen. Väter sprachen das Totengebet für ihre bei dem Festival getöteten Kinder, Trauernde entzündeten Kerzen.
Auch Israels Staatschef Isaac Herzog nahm an der Gedenkzeremonie nahe Reim teil. Er nannte den 7. Oktober 2023 einen Tag, der "eine Narbe auf der Menschheit" hinterlasse. Es sei ein Tag gewesen, "an dem Tausende von grausamen Terroristen in unsere Häuser einbrachen, unsere Familien vergewaltigten, verbrannten, zerstückelten, entführten und unsere Bürger, unsere Brüder und Schwestern verschleppten".
Unweit von Reim strömten derweil Tausende Menschen zu einer Zeremonie im Kibbuz Nir Oz. Von dessen einst 400 Bewohnern wurde bei dem Hamas-Angriff vor einem Jahr jeder vierte entweder getötet, in den Gazastreifen verschleppt oder gilt seither als vermisst.
Weitere Gedenkveranstaltungen wurden zudem in Jerusalem und Tel Aviv abgehalten. In Jerusalem versammelten sich Angehörige der Geiseln nahe der Residenz von Regierungschef Benjamin Netanjahu, darunter Schir Siegel, deren Vater Keith Siegel vor einem Jahr aus dem Kibbuz Kfar Aza entführt wurde. "Ein Jahr ist vergangen, aber eigentlich ist nur ein langer Tag vergangen, der sich wie eine Ewigkeit anfühlt", sagte sie der Nachrichtenagentur AFP.
In Tel Aviv kamen zahlreiche Opfer-Familien bereits vor Sonnenaufgang zu einer Mahnwache zusammen. Viele von ihnen trugen Transparente und Plakate mit den Bildern ihrer verschleppten Familienmitglieder, die nach einem Jahr noch immer als Geiseln im Gazastreifen festgehalten werden.
Ministerpräsident Netanjahu betonte anlässlich des Jahrestages die Notwendigkeit, die verbliebenen Geiseln zu retten. Er erklärte auch, Israel verändere die Sicherheitslage in der Region, "um sicherzustellen, dass sich ein Anschlag wie der vom 7. Oktober nicht wiederholt".
Vom Gazastreifen aus feuerte die radikalislamische Hamas nach eigenen Angaben nur wenige Minuten nach Beginn der israelischen Gedenkfeiern erneut Raketen auf den Süden Israels ab. Die israelische Armee fing nach eigenen Angaben drei Raketen ab, eine vierte schlug demnach auf unbewohntem Gebiet ein. Zudem habe die Luftwaffe Raketen-Abschussbasen der Hamas und "unterirdische terroristische Infrastruktur" im gesamten Gazastreifen beschossen, erklärte ein Armeesprecher.
Auch im Großraum Tel Aviv gab es Luftalarm: Die Hamas erklärte, sie habe Tel Aviv mit einer Raketensalve beschossen. Ein AFP-Reporter in der Küstenmetropole hörte Detonationen von Abfangraketen. Raketenbeschuss wurde auch aus dem Libanon gemeldet.
Trotz der erhöhten Sicherheitsmaßnahmen fanden in Israel den ganzen Tag über zahlreiche Gedenkveranstaltungen statt. Gedenkfeiern wurden zudem unter anderem in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Italien abgehalten.
US-Präsident Joe Biden und Vize Kamala Harris prangerten die Hamas-Verbrechen an und gedachten der Opfer. Biden erklärte, der 7. Oktober werde wegen des von der Hamas entfachten Krieges als "schwarzer Tag" für das palästinensische Volk in die Geschichte eingehen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb unter einem Post auf Hebräisch in Richtung Israels: "Wir fühlen mit Euch." Der britische Premier Keir Starmer bezeichnete den 7. Oktober als einen "Tag des Schmerzes und der Trauer".
Hunderte Kämpfer der Hamas und verbündeter islamistischer Palästinensergruppen hatten vor einem Jahr den Grenzzaun zwischen dem Gazastreifen und Israel durchbrochen. In mehreren südisraelischen Ortschaften, auf dem Nova-Musikfestival und als Geiseln im Gazastreifen wurden israelischen Angaben zufolge insgesamt 1205 Menschen getötet, überwiegend Zivilisten.
Von den 251 von der Hamas verschleppten Geiseln werden derzeit noch 97 im Gazastreifen festgehalten, 34 von ihnen sind nach Einschätzung der israelischen Armee tot. Israel geht seit dem Hamas-Angriff vor einem Jahr massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde, die nicht unabhängig überprüft werden können, mehr als 41.900 Menschen getötet.
Israel befindet sich seit dem Hamas-Großangriff in einem Mehrfrontenkrieg auch gegen die pro-iranische Hisbollah-Miliz im Libanon. Israel reagierte zuletzt mit massiven Luftangriffen, der Tötung von Hisbollah-Anführern und Bodeneinsätzen im Südlibanon. Der Iran reagierte mit Raketenangriffen auf Israel, das daraufhin mit Vergeltung droht. Eine israelische Reaktion wird schon bald erwartet.
F.Bauer--MP