UN-Truppe im Libanon wirft Israel Beschuss von Basis vor - Kritik aus Europa
Inmitten der Kämpfe zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz im Libanon ist die UN-Friedensmission Unifil eigenen Angaben zufolge von der israelischen Armee beschossen worden. Dabei seien am Donnerstag zwei Blauhelmsoldaten verletzt worden, teilte die Friedenstruppe mit. Aus an der Mission beteiligten europäischen Ländern kam nach dem Vorfall scharfe Kritik an Israel. Die USA zeigten sich "tief besorgt".
Laut den Unifil-Angaben hatte ein israelischer Panzer auf einen Beobachtungsturm des Hauptquartiers der Blauhelm-Mission in Nakura im Südlibanon gefeuert. Daraufhin seien zwei indonesische Blauhelmsoldaten herabgestürzt. Beide seien ins Krankenhaus eingeliefert worden, ihre Verletzungen seien aber "zum Glück nicht ernst", erklärte die Unifil. Insgesamt seien das Hauptquartier und mehrere Stellungen "wiederholt getroffen" worden.
Die israelische Armee erklärte, sie habe in einem Gebiet nahe des Unifil-Hauptquartiers, in dem Hisbollah-Kämpfer aktiv seien, Schüsse abgegeben. Zuvor seien die UN-Soldaten in dem Gebiet aufgefordert worden, sich an geschützten Orten aufzuhalten. Erst danach sei das Feuer eröffnet worden.
In Washington zeigte sich ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats "tief besorgt". Bei den Einsätzen der israelischen Streitkräfte im Südlibanon sei es "von entscheidender Bedeutung, dass sie die Sicherheit der UN-Friedenstruppen nicht gefährden", sagte er.
Der italienische Verteidigungsminister Guido Crosetto bezeichnete den "Beschuss" des Unifil-Hauptquartiers als "inakzeptabel". "Die von israelischen Kräften begangenen feindlichen und wiederholten Handlungen gegen die Basis (...) könnten Kriegsverbrechen sein", sagte er. Italien, das eines der größten Unifil-Kontingente stellt, habe offiziell um eine Erklärung gebeten, denn "das war kein Versehen", fügte er hinzu.
Das französische Außenministerium teilte mit: "Wir erwarten Erklärungen von den israelischen Behörden." Der Schutz von UN-Friedenstruppen sei "für alle Parteien in einem Konflikt verpflichtend". Die spanische Regierung verurteilte "den israelischen Beschuss, der das Unifil-Hauptquartier in Nakura traf, auf das Schärfste".
Die Unifil-Friedenstruppe ist seit 1978 im Libanon stationiert, sie umfasst mehr als 10.000 Soldaten und Zivilkräfte. Durch die im Jahr 2006 nach einem Krieg zwischen Israel und der Hisbollah verabschiedete Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrats wurden die Aufgaben der Blauhelmtruppe deutlich erweitert. Die Resolution sah unter anderem vor, dass lediglich Truppen der Unifil und der libanesischen Armee im Grenzgebiet zu Israel eingesetzt werden sollten. Die Hisbollah verblieb ungeachtet dessen dort.
Die israelische Armee führte am Donnerstag auch einen Luftangriff auf das Zentrum von Beirut aus, bei dem nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums mindestens 18 Menschen getötet und 92 weitere verletzt worden. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur ANI zielte der Angriff "auf das Gebiet der Wohnviertel von Ras al-Nabaa und Nueiri". Es war den libanesischen Angaben zufolge der dritte Luftangriff der israelischen Armee auf das Zentrum der Hauptstadt seit Ende September.
ANI berichtete am Donnerstag zudem über israelische Luftangriffe im Süden und Osten des Landes. Auf Bildern der Nachrichtenagentur AFP war eine Rauchwolke über der Küstenstadt Tyros zu sehen.
Die Hisbollah erklärte ihrerseits, sie habe Raketenangriffe auf israelische Soldaten verübt, die auf die libanesische Grenzstadt Mais al-Dschabal vorgerückt seien. Zudem seien "viele Raketensalven" auf den Norden Israels abgefeuert worden.
Auch im Gazastreifen setzte die israelische Armee ihre Angriffe fort. Nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds und des von der radikalislamischen Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums wurden bei einem Luftangriff auf ein Schulgebäude in Deir-al-Balah im Zentrum des Palästinensergebiets 28 Menschen getötet und 54 weitere verletzt.
Die israelische Armee erklärte dazu, der Angriff habe sich gegen palästinensische Kämpfer gerichtet. Diese hätten von einem Kommando- und Kontrollzentrum aus operiert, das sich "auf dem Gelände befand, das zuvor als Schule diente".
In der Vergangenheit hatte es immer wieder israelische Angriffe auf Schulen gegeben, in denen Vertriebene Zuflucht gefunden hatten. Israel wirft der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas vor, sich gezielt in Schulen, Krankenhäusern und anderen zivilen Einrichtungen zu verstecken. Die Hamas hat das bestritten.
Der Krieg zwischen Israel und der Hamas dauert seit mehr als einem Jahr an. Ausgelöst hatten ihn die Hamas und verbündete islamistische Gruppen mit ihrem Großangriff auf Israel am 7. Oktober 2023. Dabei wurden israelischen Angaben zufolge 1206 Menschen getötet, überwiegend Zivilisten. 251 Menschen wurden von der Hamas in den Gazastreifen verschleppt.
Seit dem Hamas-Angriff geht Israel massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde, die nicht unabhängig überprüft werden können, mehr als 42.000 Menschen getötet.
Nach dem Hamas-Großangriff hatte die Hisbollah mit permanenten Luftangriffen eine zweite Front gegen Israel eröffnet. Seit September konzentrierte die israelische Armee einen erheblichen Teil ihrer Kräfte auf den Kampf gegen die pro-iranische Miliz. In den vergangenen Tagen weitete sie aber auch ihre Angriffe im Gazastreifen wieder aus.
L.Sastre--MP