Wahl in Georgien: Regierung und pro-westliche Opposition beanspruchen Sieg
Georgien droht nach der Parlamentswahl vom Wochenende ein Machtkampf: Sowohl das Moskau-freundliche Regierungslager als auch die pro-europäische Opposition beanspruchen den Sieg für sich. Die Opposition bezeichnete die offiziellen Ergebnisse als "gefälscht". Die Wahlkommission erklärte hingegen die Regierungspartei Georgischer Traum mit 54 Prozent der Stimmen zum Siegerin, die vier pro-westlichen Oppositionsallianzen kamen demnach auf 37,58 Prozent. Die Opposition will das nicht hinnehmen und Aktionen starten.
Nach offiziellen Ergebnissen aus mehr als 99 Prozent aller Wahlkreise habe der Georgische Traum 54,08 Prozent der Stimmen erhalten, während das Oppositionsbündnis aus vier pro-westlichen Allianzen auf 37,58 Prozent gekommen sei, sagte der Vorsitzende der Wahlkommission, Giorgi Kalandarischwili, am Sonntag. Die Wahlen am Vortag hätten "in einer ruhigen und freien Umgebung stattgefunden".
Dem Ergebnis nach käme der Georgische Traum auf 91 von 150 Sitzen im Parlament und würde damit die angestrebten 113 Sitze verfehlen, mit denen die Partei ein Verbot aller wichtigen Oppositionsparteien durchsetzen wollte.
Der Exekutivsekretär der Regierungspartei Georgischer Traum, Mamuka Mdinaradse, sprach von einer "soliden Mehrheit" für seine Partei. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban gratulierte der Regierungspartei zu ihrem "überwältigenden" Sieg.
Der Milliardär Bidsina Iwanischwili, der die Regierungspartei Georgischer Traum gründete und immer noch kontrolliert, sagte, die Partei habe in schwierigen Zeiten einen Erfolg erzielt. "Ich versichere Ihnen, unser Land wird in den kommenden vier Jahren sehr erfolgreich sein", fügte er hinzu.
Iwanischwili hatte sich im Wahlkampf als Garant für Frieden positioniert und eine Verschwörungstheorie über eine "globale Kriegspartei" verbreitet, die westliche Institutionen kontrolliere und Georgien in den russisch-ukrainischen Krieg hineinziehen wolle.
Die Chefin der größten Oppositionspartei UNM, Tina Bokuschawa, betonte, das Bündnis erkenne die "gefälschten Ergebnisse der gestohlenen Wahlen nicht an". Sie sprach von einem "Versuch, die Zukunft Georgiens zu stehlen". "Wir hoffen, dass die Opposition in allen Aufrufen zum Handeln, die in den nächsten Stunden angekündigt werden, vereint sein wird."
Der Vorsitzende der ebenfalls zum Oppositionsbündnis gehörenden Achali-Partei, Nika Gwaramia, warf dem Georgischen Traum Machtmissbrauch und einen "Staatsstreich gegen die Verfassung" vor.
Nach der Schließung der Wahllokale hatten ein oppositionsnaher und ein regierungsnaher Fernsehsender konkurrierende Nachwahlbefragungen veröffentlicht. Die von dem oppositionsnahen Sender veröffentlichte Umfrage sah das Oppositionsbündnis bei 51,9 Prozent. Die Regierungspartei lag nach dieser von dem US-Institut Edison Research vorgenommenen Befragung nur bei 40,9 Prozent.
Der pro-westlichen Präsidentin Salome Surabischwili zufolge gab es am Wahltag in mehreren Wahllokalen "beunruhigende Vorfälle von Gewalt". In Onlinenetzwerken wurden Videos verbreitet, wonach es an mehreren Wahllokalen zu gewaltsamen Konfrontationen kam. Zudem war die Wahl von Vorwürfen der Wahlmanipulation und der Einschüchterung von Wählern überschattet. Für Sonntagnachmittag war eine Pressekonferenz der Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geplant.
Der seit 2012 regierende Georgische Traum verfolgte zunächst einen liberalen, pro-westlichen Kurs, wandte sich in den vergangenen zwei Jahren jedoch verstärkt Moskau zu. Die Verabschiedung eines Gesetzes der Regierung gegen angebliche "ausländische Einflussnahme" hatte in diesem Jahr Massenproteste in dem Kaukasusland ausgelöst. Brüssel fror daraufhin den EU-Beitrittsprozess mit Georgien ein, und die USA verhängten Sanktionen.
Die Regierungspartei hatte auch eine Kampagne gegen sexuelle Minderheiten gestartet. Sie verabschiedete Maßnahmen, die "LGBTQ-Propaganda" verbieten, im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen annullieren und Geschlechtsangleichungen verbieten.
P.Mueller--MP