Sondierungskompromiss in Thüringen sorgt innerhalb des BSW für Zwist
Der in Thüringen bei den Sondierungen zwischen CDU, SPD und BSW ausgehandelte Kompromiss zur Friedenspolitik belastet das Bündnis Sahra Wagenknecht zunehmend innerparteilich. Die BSW-Ko-Vorsitzende Amira Mohamed Ali, der BSW-Europaabgeordnete Fabio de Masi und weitere Spitzenpolitiker der Partei sehen die Glaubwürdigkeit des BSW in Gefahr und verstärkten am Mittwoch deswegen den Druck auf die Thüringer Landeschefin Katja Wolf.
"Ich halte die Friedenspräambel im Thüringer Sondierungspapier für keine gute Grundlage, um in Koalitionsverhandlungen zu gehen", sagte Mohamed Ali dem "Spiegel". "Wir haben vor der Wahl gesagt, dass wir nur dann in eine Regierung gehen, wenn diese sich klar für mehr Diplomatie und gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland positioniert." Dazu stehe das BSW weiterhin.
De Masi kritisierte, in Thüringen seien "klare Absprachen nicht eingehalten" worden. Für stabile Verhältnisse dort sei es aber unabdingbar, an einem Strang zu ziehen. "Ich hoffe sehr, dass Katja Wolf der Ernst der Lage klar wird", sagte de Masi dem "Spiegel".
Der stellvertretende BSW-Bundesvorsitzende Shervin Haghsheno nannte es dem Nachrichtenmagazin gegenüber "verwunderlich, dass es bei Katja Wolf in Thüringen offenbar die Bereitschaft gibt, grundsätzliche Positionen des BSW in der Frage von Frieden, Krieg und Abrüstung aufzugeben".
Zuvor hatten sich bereits die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht und weitere Spitzenleute der Partei mit dem Thüringer Kompromiss unzufrieden gezeigt, weil aus ihrer Sicht Formulierungen in der Frage von Krieg und Frieden hinter den Forderungen des BSW zurückbleiben.
CDU, BSW und SPD hatten sich am Montag nach langem Ringen auf die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen und auf bis dahin umstrittene Formulierungen zu friedenspolitischen Positionen im Entwurf für einen möglichen Koalitionsvertrag verständigt. Dort ist unter anderem "der Wille zum Frieden in Europa" festgeschrieben. Weiter heißt es, "im Rahmen der europäischen und bundesstaatlichen Ordnung" würden alle diplomatischen Initiativen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs unterstützt. Über die mögliche Stationierung von US-Raketen in Deutschland, dessen klare Ablehnung das BSW fordert, solle es eine "breite Debatte" geben.
Neben Wagenknecht kritisierten dies auch die parlamentarische Geschäftsführerin des BSW, Jessica Tatti, und der Bundesschatzmeister Ralph Suikat. In einem am Dienstag veröffentlichten Gastbeitrag bei t-online schrieben sie, ihre thüringischen Parteikollegen seien auf dem besten Weg, "das BSW zu einer Partei zu machen, von der es nicht noch eine braucht".
Die Spitze des BSW in Thüringen segnete das Sondierungspapier gleichwohl am Dienstagabend endgültig ab und gab damit grünes Licht für Koalitionsverhandlungen. Der Beschluss markiere "einen wichtigen Schritt in Richtung einer stabilen und zukunftsorientierten Regierung für Thüringen, die die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in den Vordergrund stellt", erklärte der Landesverband am Mittwoch. Die Präambel formuliere "zentrale Grundsätze und Werte", die den Kurs der Verhandlungen prägen würden.
"Wir nehmen die Verantwortung ernst, die uns die Wählerinnen und Wähler übertragen haben, und setzen uns mit aller Kraft dafür ein, Thüringen auf eine soziale, gerechte und friedliche Zukunft auszurichten", erklärte die Landesvorsitzende Katja Wolf.
Eigentlich hatten CDU, SPD und BSW in Thüringen bereits vor knapp zwei Wochen ein Sondierungspapier ausgehandelt. Weil das BSW aber die Ergebnisse zum Thema Frieden zunächst für nicht ausreichend hielt, gerieten die Gespräche ins Stocken. Am Montag einigten sich die Parteien schließlich auf einen Kompromiss. Am Dienstag trafen sich Spitzenvertreter der drei Parteien, um unter anderem über die Aufstellung der Arbeitsgruppen für die weiteren Gespräche zu beraten.
Die AfD hatte die Landtagswahl in Thüringen am 1. September gewonnen. Ein Bündnis mit der AfD schließen die anderen Partei aus. Die CDU von Landeschef Mario Voigt strebt daher eine gemeinsame Regierung mit dem BSW und der SPD an.
J.P.Hofmann--MP