Weg für neue EU-Kommission frei - Parlament billigt umstrittene Kommissare
Der Weg für die neue EU-Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen ist frei: Nach wochenlanger Blockade bestätigten die zuständigen Abgeordneten im Europaparlament am Mittwochabend alle sieben Kommissarinnen und Kommissare, deren Nominierung zuletzt noch offen gewesen war. Wenn auch das Parlamentsplenum kommenden Mittwoch wie erwartet zustimmt, kann von der Leyens neues Team die Arbeit zum 1. Dezember aufnehmen.
Die deutsche Kommissionschefin selbst war bereits im Juli vom Parlament für eine zweite fünfjährige Amtszeit bestätigt worden. Im Europaparlament regte sich allerdings heftiger Widerstand im Mitte-Links-Lager, als sie den Italiener Raffaele Fitto von den postfaschistischen Fratelli d'Italia als einen ihrer Stellvertreter nominierte. Einen so hohen Posten hat bisher noch nie ein Rechtsaußenpolitiker in der Kommission innegehabt.
Nach wochenlangem Tauziehen einigten sich die drei großen Fraktionen der Europäischen Volkspartei (EVP) um CDU und CSU sowie der Sozialdemokraten und der Liberalen aber dann darauf, die Blockade zu beenden. Deshalb wurde Fitto nun bestätigt. Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni sprach anschließend von "einem Sieg für alle Italiener". Scharfe Kritik kam von Grünen-Politikern, die einen "schmutzigen Deal" sehen.
Unter den Sozialdemokraten war die Einigung umstritten. Der SPD-Abgeordnete René Repasi hatte ein Votum für Fitto "nicht akzeptabel" genannt. Fraktionschefin Iratxe García hingegen verteidigte ihren Kompromiss mit EVP-Chef Manfred Weber (CSU). "Diese Einigung löst eine Situation, die die Stabilität der Europäischen Union aufs Spiel gesetzt hat", begründete sie ihre Zustimmung.
Mit der Einigung rettete García auch die Nominierung ihrer Parteikollegin Teresa Ribera aus Spanien. Die bisherige Umweltministerin wird von den spanischen Konservativen für angebliches Behördenversagen bei den Überschwemmungen in der Region Valencia Ende Oktober verantwortlich gemacht, bei denen 227 Menschen ums Leben gekommen waren. Deshalb stockte ihre Bestätigung und die von weiteren Kommissarinnen und Kommissaren.
Bestätigt ist nun auch die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. Die frühere estnische Regierungschefin gilt als eine der entschiedensten Unterstützerinnen der Ukraine in der EU. Sie soll am 1. Dezember die Nachfolge des bisherigen Außenbeauftragten, des Spaniers Josep Borrell, antreten.
Zustimmung gab es auch für den Franzosen Stéphane Séjourné, der künftig die Industriepolitik verantworten soll. Der Vertraute von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron soll wie Kallas einer der Stellvertreter von der Leyens werden.
Auch die Nominierung des Ungarn Oliver Varhelyi für den Posten des Gesundheitskommissars wurde abgesegnet. Allerdings werden ihm "die Flügel gestutzt", wie die Liberalen in einer Erklärung betonten. Der Mitarbeiter des umstrittenen ungarischen Regierungschefs Viktor Orban hatte sich ausweichend zum Recht auf Abtreibung geäußert, dieses Ressort soll ihm nun genommen werden. Außerdem soll er die Zuständigkeit für den Fall einer neuen Pandemie an die Belgierin Hadja Lahbib abgeben.
Konservative, Sozialdemokraten und Liberale verständigten sich zudem auf einen Text über ihre künftige Zusammenarbeit, für den unter anderem der EVP-Vorsitzende Weber (CSU) verantwortlich zeichnet. Die Sozialdemokraten hatten von ihm eigentlich eine klare Absage an jegliche Zusammenarbeit mit Rechtsaußenparteien verlangt - insbesondere, nachdem die EVP-Abgeordneten in der vergangenen Woche gemeinsam mit den Rechtsaußen-Fraktionen für ein Aufweichen eines Gesetzes gegen Abholzung gestimmt hatten.
In dem zweiseitigen Dokument werden aber nur "Rechtsstaatlichkeit, eine pro-ukrainische Haltung und ein pro-europäischer Ansatz" genannt. Von der Leyen hatte deutlich gemacht, dass diese Kriterien nach ihrer Ansicht eine Kooperation mit Melonis Postfaschisten ermöglichen.
Am Mittwoch kommender Woche soll das Plenum des Europaparlaments in Straßburg die gesamte Kommission wählen. Von der Leyens neues Team kann dann pünktlich zum ersten Advent antreten.
F.Hartmann--MP