Kurz vor möglicher Feuerpause: Israel beschießt Ziele in mehreren Teilen des Libanon
Kurz vor einer möglicherweise bevorstehenden Vereinbarung über eine Feuerpause im Libanon hat die israelische Armee Ziele in mehreren Stadtteilen von Beirut unter Beschuss genommen. Laut dem libanesischenm Gesundheitsministerium wurden am Dienstag bei einem Angriff auf ein vierstöckiges Gebäude im dicht besiedelten Viertel Nuiri im Zentrum der Hauptstadt mindestens sieben Menschen getötet und 37 weitere verletzt, am frühen Abend trafen weitere Angriffe das Zentrum Beiruts. Zudem wurden Hochburgen der Hisbollah-Miliz im Beiruter Süden massiv unter Beschuss genommen.
In den vergangenen Tagen hatten sich in dem Konflikt die Anzeichen für eine möglicherweise bevorstehende Einigung auf eine Waffenruhe verdichtet. Am Dienstagnachmittag begann eine mit Spannung erwartete Sitzung des israelischen Sicherheitskabinetts, bei der über die Feuerpause beraten werden sollte. Für den Abend wurde eine Erklärung von Regierungschef Benjamin Netanjahu erwartet.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte am Rande des G7-Gipfels im italienischen Fiuggi, ein Abkommen sei "in greifbarer Nähe". Aus Washington hieß es, eine Einigung sei "nahe", die französische Präsidentschaft sprach von "bedeutenden Fortschritten".
Ungeachtet dessen trafen am Dienstag erneut israelische Luftangriffe Beirut. Zuvor hatte die israelische Armee Evakuierungsaufforderungen für vier Quartiere im Stadtteil Nuiri veröffentlicht und erklärt, die Armee werde dort "bestimmte Stockwerke" von Gebäuden ins Visier nehmen, in denen sich "ausgewiesene Terroreinrichtungen" befänden. Nach den Aufforderungen ergriffen zahlreiche Menschen panisch die Flucht.
Mehrere südliche Vororte von Beirut, die als Hochburgen der Hisbollah gelten, wurden zudem laut der Nachrichtenagentur NNA von Angriffen der israelischen Armee getroffen. NNA schrieb von einem "Feuergürtel", infolge der Einschläge bedecke Rauch die Gegenden und reiche bis nach Beirut hinein. Die israelische Armee schrieb von "20 Terrorzielen", welche die Luftwaffe getroffen habe. Den Angriffen waren Evakuierungsaufrufe vorangegangen.
Im Süden des Libanons griff die Armee nach eigenen Angaben rund 30 Hisbollah-Ziele an. Darunter seien Stellungen zum Abfeuern von Geschossen auf Israel, "Terrorinfrastruktur" sowie Kommandozentren der Miliz gewesen.
Zudem führte die israelische Armee nach eigenen Angaben Einsätze in der Gegend um den Fluss Litani. Die Soldaten seien gegen mehrere "Terrorziele" vorgegangen, zudem hätten sie sich "Nahkämpfe mit Terroristen geliefert" und "Dutzende von Abschussvorrichtungen, Tausende von Raketen und Flugkörpern sowie in den Bergen versteckte Waffenlager" geortet und zerstört.
Der im Südlibanon 30 Kilometer nördlich von Israel verlaufende Fluss Litani hat im Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah große strategische Bedeutung: Das erklärte Ziel Israels ist es, die pro-iranische Miliz in das Gebiet nördlich des Flusses zurückzudrängen. Die nach dem Libanonkrieg 2006 vom UN-Sicherheitsrat verabschiedete Resolution 1701 sieht vor, dass die Hisbollah sich hinter den Fluss zurückzieht, diesen Rückzug sicherzustellen gehört seither zu den erklärten Aufgaben der UN-Friedensmission Unifil. Die Hisbollah blieb ungeachtet dessen im libanesisch-israelischen Grenzgebiet.
Unterdessen wurden nach Angaben der israelischen Armee zehn Geschosse vom Libanon aus auf den Norden Israels abgefeuert. Ein Teil der Geschosse sei abgefangen worden.
Nach dem Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hatte die mit der islamistischen Palästinenserorganisation verbündete Hisbollah mit regelmäßigen Raketenangriffen vom Süden des Libanon aus eine zweite Front gegen Israel eröffnet. Als Reaktion beschoss Israel Hisbollah-Ziele im Nachbarland.
Seit September hat die israelische Armee ihre Angriffe deutlich verstärkt, zudem startete sie Ende September Bodeneinsätze im Süden des Libanon.
A.Weber--MP