Kronzeuge belastet früheren Wirecard-Chef Braun im Prozess
Der als Kronzeuge im Wirecard-Prozess auftretende frühere Asien-Manager Oliver B. hat den früheren Unternehmenschef Markus Braun schwer belastet. "Dr. Braun war der Kern, auf den sich alles ausgerichtet hat", sagte B. am Montag in dem Verfahren um den Bilanzskandal des inzwischen insolventen früheren Dax-Konzerns vor dem Landgericht München I. Braun sei vom Wachstumskurs berauscht gewesen, dafür sei ihm jedes Mittel recht gewesen.
B. sagte, bei Wirecard habe es ein "System des organisierten Betrugs" gegeben. "Die Wirecard versuchte, die Gesetze des Marktes mit Manipulation auszuhebeln." Die Unternehmensführung habe aus Kriminellen und Hasardeuren bestanden. Braun sei in dieser Gruppe ein absolutistischer Chef gewesen. Er habe gesagt, wo es lang geht und was er sagte, sei gemacht worden.
Der zusammen mit Braun und dem früheren Chefbuchhalter von Wirecard angeklagte B. räumte seine eigene Schuld vollumfänglich ein. "Ich bin erschrocken über mein eigenes Agieren." Er habe das Gute unterlassen und das Schlechte getan. Zugunsten seiner Karriere habe er Bedenken einfach beiseite geschoben. Anfänglich habe es nur kleine Grenzüberschreitungen gegeben, später seien daraus kriminelle Handlungen geworden. Er bedauere zutiefst, damit zu dem Bilanzskandal beigetragen zu haben.
Neben Braun belastete B. auch den geflohenen früheren Wirecard-Vorstand Jan Marsalek sowie den mitangeklagten früheren Chefbuchhalter. Wo Braun war, sei Marsalek nie weit gewesen, sagte B.. Der frühere Chefbuchhalter Stephan von E. sei auch an den Manipulationen beteiligt gewesen.
"Blinde Loyalität" gegenüber Braun und Marsalek habe ihn ins Gefängnis gebracht, sagte der seit etwa zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft sitzende B. Nach Auffassung der Anklage war seine Aufgabe, das Drittpartnergeschäft vorzugaukeln, über das Wirecard tatsächlich gar nicht vorhandene große Umsätze vortäuschte. "Die ganze Sache war von Anfang an ein Schwindel", räumte B. ein.
Der Wirecard-Skandal gilt als einer der größten Wirtschaftsskandale der deutschen Nachkriegszeit. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft erfand die Konzernführung Umsätze, um sich Milliardenkredite von Banken zu sichern. Das damals im Dax gelistete Unternehmen ging Mitte 2020 pleite, in den damaligen Bilanzen ausgewiesene 1,9 Milliarden Euro gelten als verschwunden.
Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft in dem Verfahren lauten auf gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Untreue, Marktmanipulation und unrichtige Darstellung. Das Gericht hat zunächst gut 100 Verhandlungstage für den Prozess angesetzt.
O.Braun--MP