Münchener Post - Debatte über Integration nach Silvesterkrawallen

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Debatte über Integration nach Silvesterkrawallen
Debatte über Integration nach Silvesterkrawallen / Foto: MICHELE TANTUSSI - AFP/Archiv

Debatte über Integration nach Silvesterkrawallen

Nach den schweren Ausschreitungen in der Silvesternacht rückt die Frage nach den Tätern ins Zentrum der politischen Debatte. CDU-Politiker wie der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul und Fraktionsvize Jens Spahn äußerten die Vermutung, dass junge Männer mit Migrationshintergrund auffällig stark an den Übergriffen beteiligt gewesen sein könnten. Die Antirassismus-Beauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), warnte am Dienstag vor einem Generalverdacht gegen Migranten.

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"Wir müssen die Täter anhand ihrer Taten beurteilen, nicht anhand ihrer vermuteten Herkunft, wie dies nun einige tun", sagte Alabali-Radovan den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Wer jetzt mit Generalverdacht gegenüber Menschen mit Einwanderungsgeschichte reagiert, trägt zur weiteren Stigmatisierung und Spaltung unserer Gesellschaft bei, statt die sozialen Ursachen des Problems zu bekämpfen."

Gesicherte Angaben von Behördenseite über die Täter beziehungsweise bestimmte Tätergruppen lagen am Dienstag noch nicht vor. NRW-Innenminister Reul äußerte in der "Bild"-Zeitung dennoch einen Verdacht: "Bei den Randalierern hatten wir es offenbar ganz überwiegend mit jungen Männern in Gruppen zu tun, häufig mit Migrationshintergrund."

Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Spahn machte eine gescheiterte Integrationspolitik mitverantwortlich für die Eskalation. "Da geht es eher um ungeregelte Migration, gescheiterte Integration und fehlenden Respekt vor dem Staat statt um Feuerwerk", sagte Spahn am Montag dem Portal "t-online".

Die Deutsche Polizeigewerkschaft forderte eine Untersuchung zur Herkunft der Täter. Viele der Angreifer stammten aus dem "Migrantenmilieu", sagte Gewerkschaftschef Rainer Wendt zu "Focus Online". Bei vielen Einsatzkräften herrsche nach der Silvesternacht der Eindruck vor, dass "Gruppen junger Männer mit Migrationshintergrund bei diesen Ausschreitungen weit überrepräsentiert" seien.

Wendt forderte Erklärungen von Seiten der Politik. Wenn verhindert werden solle, dass rechte Populisten die Geschehnisse der Nacht für politische Zwecke nutzten, "müssen die tatsächlichen Feststellungen exakt analysiert und genannt werden", sagte er.

Die AfD beteiligte sich am Dienstag mit Nachdruck an der Debatte. Parteivize Stephan Brandner warf Behörden und Medien vor, den Zusammenhang zwischen den Silvesterkrawallen und mutmaßlichen Tätern mit Migrationshintergrund zu ignorieren. Die Politik müsse "endlich klar machen, dass die Menschen, die als Schutzsuchende in unser Land kamen und nun ihre volle Verachtung gegenüber unseren Traditionen und Werten verdeutlichen sowie straffällig werden, nichts in Deutschland zu suchen haben", forderte er.

In den sozialen Netzwerken kursierten zahlreiche Videoaufnahmen, die aus der Silvesternacht stammen sollen. Zu sehen sind junge Männer, die mutmaßlich Einsatz- und Rettungskräfte zum Teil massiv angreifen. Herkunft und Hintergrund der gezeigten Männer lassen sich anhand dieser Bilder allerdings ebensowenig klären wie Ort und Zeitpunkt der Aufnahmen.

Von Seiten der Bundesregierung gab es zunächst noch keine Angaben dazu, welchen Gruppen die Übergriffe zuzurechnen waren. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagte am Montag, es gebe "noch keine Übersicht über Tatverdächtige". Sie verwies auf den allgemeinen Lagebericht zum Jahr 2021, der rund 88.600 Übergriffe auf Polizeibeamte erfasste. Von den bekannten Tätern seien 84 Prozent männlich und 70 Prozent deutsche Staatsbürger.

Der Bezirksbürgermeister des Berliner Stadtteils Neukölln, Marin Hikel (SPD), sagte der "Welt", es habe in der Silvesternacht Szenen gegeben, die ihn an "bürgerkriegsähnliche Zustände" erinnert hätten. "In einzelnen Fällen wurden Rettungskräfte bewusst in einen Hinterhalt gelockt, um sie dort anzugreifen", sagte er. Hikel forderte als Konsequenz ein Verkaufsverbot für Böller. In der Bundespolitik stieß dies aber auf Ablehnung, etwa bei Union und FDP.

A.Schneider--MP