Klimaaktivisten werfen Polizei "pure Gewalt" bei Einsatz in Lützerath vor
Klimaaktivisten haben der Polizei ein gewaltsames Vorgehen bei den Protesten gegen die Räumung des Dorfes Lützerath in Nordrhein-Westfalen vorgeworfen. Bei der Großdemonstration am Samstag seien Menschen "mit purer Gewalt" aufgehalten worden, sagte Indigo Drau von der Initiative "Lützerath lebt" am Sonntag vor der Presse im Erkelenzer Ortsteil Keyenberg. Die Aktivisten sprachen von zahlreichen Schwerverletzten. Auch dutzende Polizeibeamte wurden bei dem Räumungseinsatz verletzt.
Nach Angaben der Initiative "Lützerath lebt" setzte die Polizei am Samstag "massiv Schlagstöcke, Pfefferspray, Räumpanzer, Wasserwerfer, Hunde und Pferde" gegen die Kohle-Gegner ein. Eine Demo-Sanitäterin sprach von einer "hohen zweistelligen bis dreistelligen Zahl" an Verletzten, einige davon lebensgefährlich". Beamte hätten "hemmungslos" auf Demonstrierende eingeprügelt, vorzugsweise auf den Kopf, sagte sie auf der Pressekonferenz.
Darya Sotoodeh von Fridays for Future nannte dies "unentschuldbar". Eine genaue Verletztenzahl nannten die Aktivisten mit Verweis auf den Schutz der Betroffenen vor Polizeiermittlungen nicht.
Die Polizei bestätigte, dass bei den Protesten gegen die Räumung und Abbaggerung Lützeraths für die Braunkohle Wasserwerfer, Pfefferspray und Stöcke gegen "Störer" eingesetzt wurden. Wie ein Sprecher der Polizei Aachen am Sonntag sagte, wurden seit Einsatzbeginn am Mittwoch auch mehr als 70 Beamte verletzt, ein Teil davon bei den Protesten am Wochenende. Die Verletzungen gehen demnach sowohl auf Auseinandersetzungen mit Klimaaktivisten als auch auf Fehltritte aufgrund der Bodenverhältnisse oder andere Umstände zurück. Die meisten Beamten seien weiterhin dienstfähig.
Am Samstag hatten erneut tausende Menschen gegen die Räumung der Siedlung und deren drohende Abbaggerung für den Braunkohleabbau demonstriert, darunter auch die Klimaaktivistin Greta Thunberg. Die Polizei sprach von insgesamt 15.000 Protestteilnehmerinnen und -teilnehmern. Der Initiatoren nannten eine Zahl von mehr als 35.000 Demonstrierenden, die Initiative Alle Dörfer Bleiben sprach sogar von 50.000.
Am Rande der Großdemonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei, als einige hundert Menschen Polizeiketten durchbrachen und im strömenden Regen zur Abbruchkante des Tagebaus liefen. Sicherheitskräfte wurden mit Steinen beworfen. Bei Einbruch der Dunkelheit beruhigte sich die Lage, die meisten Demonstrierenden reisten ab.
Am Sonntag harrten den Angaben zufolge einige Klimaaktivisten weiterhin auf Baumhäusern und mindestens zwei in einem selbst angelegten Tunnelsystem aus. Die Werksfeuerwehr von RWE Power hielt demnach Kontakt zu ihnen.
Im Zuge des seit Mittwoch laufenden Einsatzes in Lützerath gab es nach Polizeiangaben bislang rund 150 Strafverfahren unter anderem wegen Widerstands gegen Polizeibeamte, Sachbeschädigung und Landfriedensbruchs.
Die Aktivisten kündigten weitere Aktionen gegen die Räumung und Abbaggerung von Lützerath an. "Die 1,5-Grad-Grenze kann nicht eingehalten werden, wenn RWE Braunkohle unter Lützerath abbaggert", sagte Darya Sotoodeh von Fridays für Future. Christopher Laumanns von der Initiative Alle Dörfer Bleiben nannte die Zerstörung Lützeraths "eine globale Blamage Deutschlands und insbesondere für die grüne Partei". "Wir werden weiter Widerstand leisten."
Der Energiekonzern RWE will den bei Lützerath liegenden Tagebau Garzweiler ausdehnen und die unter dem Ort liegende Kohle abbauen, wozu das von den früheren Bewohnerinnen und Bewohnern verlassene Dorf abgerissen werden muss. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), der zusammen mit den Grünen reagiert, lehnte jüngst einen Verzicht auf ein Abbaggern des Ortes für den Braunkohletagebau erneut ab.
F.Bauer--MP