Mehr als 200 Festnahmen bei Mai-Demonstrationen in Istanbul
In Istanbul hat die Polizei mehr als 200 Menschen festgenommen, die sich trotz eines Verbots am 1. Mai auf dem zentralen Taksimplatz zu Demonstrationen versammeln wollten. Zahlreiche Menschen versuchten, die Polizeiabsperrungen zu durchbrechen, um auf den Platz zu gelangen, der in der Vergangenheit Ausgangspunkt von Protestaktionen und deshalb vollständig abgeriegelt war, wie AFP-Reporter am Mittwoch berichteten. Der Taksimplatz gilt als wichtiges Symbol für die türkische Opposition.
Der türkische Innenminister Ali Yerlikaya teilte am Nachmittag im Onlinedienst X mit, dass insgesamt 210 Menschen festgenommen worden seien. Sie hätten "nicht auf die Warnungen gehört", dem Taksimplatz fernzubleiben. Stattdessen hätten sie "versucht, zum Taksimplatz vorzurücken und unsere Polizisten am 1. Mai, dem Tag der Arbeit und Solidarität in Istanbul, angegriffen".
Örtlichen Medienberichten zufolge hatte es bis zum Mittag insgesamt 150 Festnahmen gegeben. Diese Zahl war zunächst nicht offiziell bestätigt worden.
Vor der Stadtverwaltung setzte die Polizei Tränengas gegen Menschen ein, die versuchten, Absperrungen zu durchbrechen, wie AFP-Reporter beobachteten. Auch der am 31. März wiedergewählte oppositionelle Bürgermeister Ekrem Imamoglu und der Vorsitzende seiner Partei CHP, Özgür Özel, die zu der Kundgebung vor der Stadtverwaltung aufgerufen hatten, konnten ihren Weg nicht fortsetzen. Özel erklärte, er werde nicht aufgeben, bis der Taksimplatz "befreit" sei. "Taksim gehört den Arbeitern", betonte er.
Die Demonstranten riefen: "Ihr könnt uns den Taksimplatz nicht wegnehmen. Taksim ist überall, der Widerstand ist überall!".
Der Taksimplatz sei "ein wichtiges Symbol" für die Gewerkschaften, sagte die Chefin des Progressiven Gewerkschaftsbundes der Türkei, Arzu Cerkezoglu, der AFP. "Taskim bedeutet 1. Mai, bedeutet Arbeit", führte sie aus.
Der Taksimplatz war mit hohen Metallgittern abgeriegelt. Seit Proteste gegen die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan im Jahr 2013 hier begonnen hatten, sind Demonstrationen auf dem Platz verboten. Zahlreiche Straßen der Stadt waren gesperrt, öffentliche Verkehrsmittel - darunter die Bosporusfähren - standen still.
Im Stadtteil Besiktas nahm die Polizei mindestens 30 linksgerichtete Demonstranten fest. Weitere 30 Festnahmen gab es im Stadtteil Sisli. Auch nahe des Rathauses im Stadtteil Sarachane kam es zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten. AFP-Reporter berichteten, dass die Polizei Tränengas und Gummigeschosse einsetzte, um die Demonstranten am Durchbrechen der Absperrungen zu hindern.
Am Dienstag hatte Innenminister Yerlikaya erklärt, dass am Mittwoch mehr als 42.000 Polizisten in der Metropole im Einsatz sein würden. Zudem warnte er vor "Terrororganisationen", die den 1. Mai für ihre Aktionen und Propaganda nutzen wollten. Präsident Erdogan warnte am Dienstag Gewerkschaften und politische Parteien vor "jeglichen Aktionen, die die Atmosphäre des 1. Mai beeinträchtigen".
Im vergangenen Jahr hatte das türkische Verfassungsgericht entschieden, dass die Abriegelung des Taksimplatzes zur Verhinderung von Demonstrationen rechtswidrig sei. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte die Entscheidung bestätigt.
P.Walsh--MP