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EZB senkt erstmals seit Jahren wieder die Leitzinsen
EZB senkt erstmals seit Jahren wieder die Leitzinsen / Foto: Kirill KUDRYAVTSEV - AFP

EZB senkt erstmals seit Jahren wieder die Leitzinsen

Erstmals seit knapp fünf Jahren hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsschraube wieder gelockert. Sie senkte die drei Leitzinssätze um jeweils 0,25 Prozentpunkte, wie die Notenbank in Frankfurt am Main am Donnerstag mitteilte. Wirtschaftsverbände, Wissenschaftler und auch Wohnungsbauministerin Klara Geywitz (SPD) begrüßten den Schritt - einige Experten mahnten gleichzeitig zur Vorsicht mit Blick auf weitere Zinsschritte.

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Die Zinssenkung ist die erste seit September 2019. Der zentrale Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken Geld bei der EZB leihen können, liegt nun bei 4,25 Prozent. Der Zinssatz zur kurzfristigen Beschaffung von Geld, der Spitzenrefinanzierungssatz, sinkt auf 4,5 Prozent. Der für Sparerinnen und Sparer relevante Einlagenzins verringert sich auf 3,75 Prozent.

Im Kampf gegen die hohe Inflation hatte die EZB in einer beispiellosen Serie die Leitzinsen zwischen Mitte 2022 und Oktober 2023 zehn Mal in Folge erhöht. Seitdem waren die Sätze unverändert geblieben.

Nun erklärte die Notenbank, die Inflation habe sich abgeschwächt, "was die Anzeichen verstärkt, dass der Preisdruck nachgelassen hat". Weil sich die Inflationsaussichten seit September 2023 "deutlich verbessert" hätten, sei es angemessen, die Leitzinssätze zu senken.

Die Teuerung in der Eurozone hatte im Oktober 2022 mit 10,6 Prozent im Verglich zum Vorjahresmonat ihren Höchststand erreicht. Im Mai dieses Jahr lag sie bei 2,6 Prozent - im Vergleich zum April war das ein Anstieg um 0,2 Prozentpunkte. Die EZB will die Leitzinsen so lange wie erforderlich restriktiv halten, um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen.

Die Zinssenkung sei "sinnvoll", weil sich die Inflation in Europa mittlerweile in Richtung der angestrebten zwei Prozent zurückentwickelt, erklärte der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest. Auch Silke Tober, Expertin für Geldpolitik und Inflation des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, nannte die Zinssenkung "richtig und überfällig". Die Inflation sei auch aus Sicht der EZB unter Kontrolle und dürfte im kommenden Jahr sehr nah am Inflationsziel von zwei Prozent liegen.

Auch der Sparkassen- und Giroverband (DSGV) nannte die Zinssenkung richtig. Damit nutze die EZB den Spielraum, den die hat, um die Bremse für die Wirtschaft jetzt ein wenig zu lockern. Allerdings seien die letzten Meter bei der Inflationsbekämpfung die schwierigsten. "Vorsicht bleibt geboten."

DSGV-Präsident Ulrich Reuter verwies dabei auf die "Lohndynamik", die wiederum die Dienstleistungspreise beeinflusse. "Das schlimmste Szenario wäre ein erneuter Anstieg der Inflation, der die EZB zwingen würde, zu weitgehende Zinssenkungen zurückzunehmen. Das würde Vertrauen und Berechenbarkeit beschädigen."

Bei den Auswirkungen auf die Wirtschaft sind Experten uneins: Die Zinssenkung sei an den Märkten bereits eingepreist, der Impuls für die Konjunktur wird begrenzt sein, erklärte Ifo-Präsident Fuest. Ähnlich äußerte sich die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK): Die positiven Wirkungen auf die gewerbliche Wirtschaft seien "eher überschaubar". Der Verband Die Familienunternehmer erklärte, die Zinssenkung werde keine Auswirkung auf das Investitionsklima in Deutschland haben.

Der Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, dagegen erklärte, die Zinswende stelle die Weichen für die konjunkturelle Erholung der deutschen Wirtschaft. "Von den verbesserten Finanzierungskonditionen werden Verbraucher, Unternehmen und insbesondere der Bausektor profitieren."

Bauministerin Geywitz erklärte: "Günstige Finanzierungen am Kreditmarkt sind enorm wichtig für den Wohnungsbau." Die Senkung des EZB-Leitzinses werde der Baubranche einen neuen Schub geben, zeigte sie sich überzeugt.

Auseinander gehen die Empfehlungen für die künftige Zinspolitik der EZB. IMK-Ökonomin Tobler etwa forderte, weitere Zinsschritte sollten "zügig folgen", da die weiter restriktive Geldpolitik die erforderliche Investitionstätigkeit schwäche.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln dagegen mahnte zur Vorsicht: Zahlreiche Indikatoren zur Prognose der Inflation zeigten keine Entspannung. So sei die Nachfrage der privaten Haushalte stabil und der Fachkräftemangel dürfte die Preise ebenfalls nach oben treiben. Die EZB sollte "in jedem Fall in kleinen Schritten vorgehen".

F.Koch--MP