Mittelstand fordert nach Verkündung von Gasumlage Krisengipfel im Kanzleramt
Angesichts der ab Herbst geplanten Gasumlage von rund 2,4 Cent pro Kilowattstunde fordert der Bundesverband Der Mittelstand BVMW einen Krisengipfel im Kanzleramt. Der Bundesvorsitzende Markus Jerger sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Dienstag, es müssten "unverzüglich Details zum geplanten Anreizmechanismus zur Freigabe nicht benötigter Gasmengen in Unternehmen ausgearbeitet und mit der Wirtschaft abgestimmt werden".
"Um dabei alle relevanten Akteure an den Tisch zu holen, ist ein Energiegipfel im Kanzleramt das Gebot der Stunde", sagte Jerger und warnte davor, weiter an Zeit zu verlieren. Die Umlage würde die Existenznot vieler Mittelständler verschärfen. "Und es steht zu befürchten, dass der Gas-Soli nach den regelmäßigen Evaluationen weiter steigt." Der Verbandschef bezeichnete es als "Skandal", dass die Bürger und Betriebe die Zeche für politische Fehlplanungen zahlen müssten.
Vertreter von Handwerksverbänden forderten derweil, die bisherigen Hilfsangebote für energieintensive Unternehmen zu überarbeiten. Der stellvertretende Geschäftsführer des Deutschen Textilreinigungsverbands (DTV), Daniel Dalkowski, sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern vom Dienstag, die Branche müsse im Programm zur Energiekostendämpfung berücksichtigt werden.
"Leider ist die Energieintensität kein ausreichendes Kriterium für eine Energiekostenbeihilfe, sondern eine Branche muss aufgrund der hohen Energiekosten auch im erhöhten Risiko stehen, ins Ausland abzuwandern", sagte Dalkowski. "Das ist bei einer regionalen Dienstleistung wie der Wäscherei natürlich nicht gegeben und trotz eines hohen Energiekostenanteils gehen die Betriebe daher aktuell leer aus."
Auch der Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks fordert eine Überarbeitung der Förderrichtlinien. "Das Bäckerhandwerk wird leider nicht im Energiekostendämpfungsprogramm berücksichtigt", sagte Hauptgeschäftsführer Daniel Schneider. "Daher fordern wir von der Bundesregierung eindringlich konkrete Hilfen, denn ohne ein Rettungspaket wird es ab Herbst nicht gehen." Trotz Versprechen der Bundesregierung, niemanden allein zu lassen, fehle dem Bäckerhandwerk bislang "effektive Unterstützung".
Im Zuge der Debatte fordert das SPD-Wirtschaftsforum eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Strom und Gas. Die Präsidentin des Forums, Ines Zenke, sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern, der Mittelstand bildet "das Rückgrat der deutschen Wirtschaft" und gerate durch die Energiepreiskrise "unverschuldet in Schieflage".
"Die Bundesregierung hat eine Vielzahl verschiedener Instrumente, die sie zur Entlastung einsetzen kann", sagte Zenke. "Dazu gehört die temporäre Absenkung der Mehrwertsteuer für Strom und Gas auf sieben Prozent - eine Entlastung, die wir schon aus der Coronakrise kennen. Und auch über die Senkung der Strom- und Energiesteuern muss nachgedacht werden."
Die Gasnetzbetreiber hatten am Montag die Höhe der Gasumlage bekannt gegeben. Sie beträgt ab Oktober 2,419 Cent. Das sind für einen Familienhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden 576 Euro, für einen Singlehaushalt mit 5000 Kilowattstunden Verbrauch 144 Euro. In der Folge wurden erneut Forderungen nach weiteren staatlichen Hilfen laut, insbesondere für Einkommensschwächere.
Die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, Ines Moers, warnte in den Funke-Zeitungen vom Dienstag, die Gasumlage werde "die finanzielle Lage der überschuldeten Haushalte in Deutschland in den kommenden Monaten noch zusätzlich verschärfen".
"Wer sich wegen der hohen Inflation sowie der gestiegenen Energiepreise schon jetzt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, wird es bald besonders schwer haben", sagte Moers. "Das wird in den kommenden Monaten sehr deutlich werden."
A.Weber--MP