Geteilte Reaktionen auf geplantes Entlastungspaket der Koalition
Das von der Ampel-Koalition beschlossene dritte Entlastungspaket hat bei Industrie, Gewerkschaften und Sozialverbänden geteilte Reaktionen ausgelöst. Während Wirtschaftsvertreter die Beschlüsse unter anderem als zu wenig zielgenau kritisierten, warnte etwa der Paritätische Wohlfahrtsverband vor einer anhaltenden sozialen Schieflage.
Das von der Koalition beschlossene weitere Entlastungspaket hat ein Gesamtvolumen von 65 Milliarden Euro. Geplant ist unter anderem eine Einmalzahlung an Rentnerinnen und Rentner in Höhe von 300 Euro und an Studierende in Höhe von 200 Euro. Wohngeldberechtigte erhalten einen zusätzlichen Heizkostenzuschuss von 415 Euro. Die Ampel-Koalition will eine Strompreisbremse für die Bürgerinnen und Bürger zudem durch die Abschöpfung von Gewinnen bei Energiefirmen finanzieren.
Der Chef des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, hält die Beschlüsse für zu wenig zielgenau. Zwar sei positiv, dass die Bundesregierung sich "erkennbar bemüht, Preise und damit Anreize für das Energiesparen wirken zu lassen", sagte der Ökonom der "Bild"-Zeitung (Montagsausgabe). Allerdings sei die Koalition hier "teils mit der Gießkanne unterwegs".
Auch Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm, ist unzufrieden. Aus Sicht der Wirtschaft seien die Maßnahmen "enttäuschend und unkonkret". "Immer mehr Betriebe und Unternehmen sind angesichts explodierender Gas- und Strompreise existentiell bedroht", warnte Russwurm. Die am stärksten betroffenen Unternehmen müssten sehr schnell und unkompliziert angemessene Hilfsleistungen über die jetzt angekündigte Verlängerung des Spitzenausgleichs für energieintensive Unternehmen hinaus erhalten.
Auch Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger nannte das Paket insgesamt "enttäuschend". "Es ist richtig, dass die Bundesregierung soziale Härten auffängt", erklärte der BDA-Chef. "Eine der wesentlichen Ursachen für die Inflation – die Energiepolitik – wird jedoch nicht konsequent angepackt."
Hans Peter Wollseifer, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), zeigte sich ebenfalls enttäuscht. "Es droht, dass vielen Betrieben die Luft längst ausgegangen ist, ehe im die Paket in Aussicht gestellten Entlastungen wirken."
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm lobte, dass nun "im Wesentlichen Menschen, die die Härten besonders weniger selbst abfedern können", Zuschüsse bekämen. Die Maßnahmen am Strommarkt und zur Abfederung der besonderen Belastungen der Gaskunden blieben aber "noch unkonkret", sagte die Volkswirtin, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Der Paritätische Wohlfahrtsverband beklagte eine anhaltende soziale Schieflage. In dem Entlastungspaket würden Fehler und Ungerechtigkeiten korrigiert, indem nun auch Rentner und Studierende berücksichtigt werden, erklärte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider mit Blick auch auf die geplante Wohngeldreform.
Er kritisierte allerdings, dass der Hartz-IV-Regelsatz erst zum Jahresbeginn auf voraussichtlich 500 Euro angehoben werden soll. Das sei "ein schlechter Witz". Zudem könne die Erhöhung kaum die Inflation ausgleichen. "Alles in allem sind die vorgelegten Pläne nicht geeignet, um den Menschen in diesem Herbst wirklich Zuversicht zu geben."
Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, nannte das Ergebnis hingegen "beeindruckend". Eine Explosion der Strompreise werde durch die Maßnahmen verhindert. Es fehle allerdings ein Gaspreisdeckel.
Ähnlich äußerte sich die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi. "Insgesamt ist der Maßnahmenkatalog geeignet, die Belastungen der Menschen und der Unternehmen tatsächlich spürbar zu verringern", erklärte Fahimi.
Verdi-Chef Frank Werneke bezeichnete das Entlastungspaket indes als "nur halben Schritt". Nötig sei insbesondere eine wirksame Preisbremse für Strom und Gas. Daran werde seine Gewerkschaft die Koalition messen", erklärte Werneke. Auch fehlten weitere direkte Zahlungen für Menschen mit mittleren und eher niedrigen Einkommen.
W.F.Walter--MP