Mindestlohn steigt auf zwölf Euro - Keine höhere Arbeitslosigkeit befürchtet
Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland liegt seit Samstag bei zwölf Euro die Stunde, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und auch Ökonomen rechnen deshalb aber nicht mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Der höhere Mindestlohn werde "gesamtwirtschaftlich betrachtet keinen negativen Effekt auf den Arbeitsmarkt" haben, sagte Heil den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Samstag. Seine Parteikollegin Saskia Esken forderte Steigerungen bei den Tariflöhnen.
Die Erhöhung von 10,45 auf zwölf Euro pro Stunde sei "für viele Beschäftigte der größte Lohnsprung in ihrem Leben", sagte Heil. Dies helfe "gerade jetzt in der Krise", denn "wer Vollzeit zum Mindestlohn arbeitet, hat dadurch brutto fast 300 Euro mehr im Monat". Profitieren sollen von der Anhebung der Lohnuntergrenze nach Angaben der Regierung mehr als sechs Millionen Beschäftigte.
Der Leiter des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), Simon Jäger, rechnet durch den neuen Mindestlohn ebenfalls unter dem Strich nicht mit Beschäftigungsverlusten. Es werde voraussichtlich aber "eine Verlagerung von Arbeitsplätzen von weniger produktiven Betrieben hin zu produktiveren Betrieben" geben, sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Kleine Gastronomiebetriebe oder mancher Kiosk könnten schließen müssen.
"Zugleich stehen dann aber mehr Arbeitskräfte für andere Unternehmen in anderen Bereichen zur Verfügung, die auch mit einem höheren Lohnniveau zurechtkommen, etwa in der Industrie", sagte Jäger. Den in Deutschland vergleichsweise großen Niedriglohnsektor zu verkleinern, habe jedenfalls klare Vorteile. Studien zufolge profitieren von der Mindestlohnerhöhung besonders viele Menschen in Ostdeutschland, da dort bislang überdurchschnittlich häufig weniger als zwölf Euro gezahlt wird.
Die Mindestlohnerhöhung hatte die Regierung beschlossen und nicht die eigens dafür eingesetzte Mindestlohnkommission. Heil bekräftigte, dass dies ein einmaliger Schritt gewesen sei. "Für weitere Erhöhungsschritte wird die Mindestlohnkommission wieder ihre wichtige Aufgabe übernehmen."
SPD-Chefin Esken plädierte anlässlich der Mindestlohnerhöhung allgemein für höhere Gehälter. "Der Mindestlohn ist immer auch ein Impuls für höhere Tariflöhne", sagte sie der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten". "Die Gewerkschaften, die jetzt in Tarifauseinandersetzungen gehen, sollten deutlich machen, dass Abschlüsse die Teuerungsrate abbilden müssen."
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) berechnete, dass Haushaltseinkommen von Mindestlohnverdienenden deutlich über dem von Empfängern des künftigen Bürgergeldes liegen werden. Im Fall eines kinderlosen Paares, das 28,5 Stunden pro Woche für den Mindestlohn arbeitet, beträgt die Differenz zum Bürgergeld 832 Euro, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) unter Verweis auf den DGB berichtete.
"Die Behauptung, niemand würde bei höheren Regelsätzen noch zur Arbeit gehen, stammt aus dem Reich der Märchen und Legenden", sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Das von der Ampel-Koalition geplante Bürgergeld soll ab Januar das bisherige Hartz-IV-System ersetzen.
L.Gschwend--MP