Französische Regierung will Haushalt zur Not ohne Abstimmung durchdrücken
Die französische Regierung will den Haushalt 2023 zur Not auch ohne Abstimmung durchsetzen. "Wenn die Lage es erfordert", werde die Regierung dafür einen entsprechenden Gesetzesartikel nutzen, sagte Regierungssprecher Olivier Véran am Mittwoch in Paris. "Es ist zu befürchten, dass die Opposition versuchen wird, Frankreich in eine Blockade zu treiben", sagte Véran. Seit der Parlamentswahl hat das Regierungslager seine absolute Mehrheit verloren.
Der Artikel 49.3 der französischen Verfassung gilt als ein Joker, der es der Regierung ermöglicht, ein Gesetz ohne Abstimmung in der Nationalversammlung zu verabschieden. Dafür muss das Kabinett grundsätzlich seine Einwilligung geben, was am Mittwoch geschehen ist.
"Das heißt nicht, dass wir das nutzen wollen und auch nicht, dass wir es nutzen werden", betonte Véran. "Wir bereiten uns lediglich auf eine Situation vor, in der wir den Artikel nutzen könnten, um zu verhindern, dass Frankreich keinen Haushalt für 2023 bekommt", sagte Véran.
Wenn die Regierung den Artikel 49.3 geltend macht, hat die Opposition 24 Stunden Zeit, um einen Misstrauensantrag zu stellen. Im Fall des Haushaltsgesetzes hat die Opposition dies bereits angekündigt. Da die konservativen Republikaner den Antrag nicht unterstützen wollen, kann die Regierung davon ausgehen, ein Misstrauensvotum zu überstehen und das Gesetz so zu verabschieden.
Der Artikel 49.3 kann pro Sitzungsperiode nur für den Haushalt und ein weiteres Gesetzesvorhaben genutzt werden - dann aber für alle Abstimmungsetappen in der Nationalversammlung.
Kritiker sehen in dem Artikel ein undemokratisches Instrument. Als Präsident Emmanuel Macron noch Wirtschaftsminister unter seinem Vorgänger François Hollande war, stand er der Nutzung des Artikels skeptisch gegenüber.
In der seit 1958 bestehenden Fünften Republik wurde dieser Joker etwa 90 Mal genutzt. Macron nutzte ihn in seiner ersten Amtszeit einmal für die geplante Rentenreform, die wegen der Pandemie dann wieder auf Eis gelegt wurde. Bislang fand nur ein Mal ein Misstrauensvotum ausreichend Unterstützung im Parlament; 1962 gegen die Regierung von Georges Pompidou.
D.Johannsen--MP