Koalition will mit Union über Bürgergeld reden - aber nur in "Detailfragen"
Die Ampel-Koalition hat im Streit um das geplante Bürgergeld Bereitschaft zum Kompromiss in Detailfragen signalisiert. "Wenn die unionsgeführten Bundesländer beim Bürgergeld Detailfragen klären wollen, sind wir dazu bereit", sagte SPD-Chefin Saskia Esken der Funke-Mediengruppe (Montagsausgaben). Grünen-Chefin Ricarda Lang zeigte sich ebenfalls offen für Gespräche, deutete aber auch Grenzen der Kompromissbereitschaft an - etwa bei der geplanten Erhöhung des Schonvermögens. Lang und Esken warnten die Union vor einer Blockade des Projekts.
Die Ablösung des bisherigen Hartz-IV-Systems durch das Bürgergeld ist eines der Kernvorhaben der Ampelkoalition. Unionspolitiker drohen mit einer Blockade im Bundesrat. Sie argumentieren, dass der weitgehende Verzicht auf Sanktionen gegen Bezieherinnen und Bezieher den Anreiz zur Aufnahme einer Arbeit mindere. Außerdem halten sie das geplante Schonvermögen für zu hoch. Es soll in den ersten 24 Monaten bei 60.000 Euro für den eigentlichen Leistungsbezieher liegen und bei 30.000 Euro für jedes weitere Mitglied der Bedarfsgemeinschaft.
SPD-Chefin Esken forderte die Union zu einer konstruktiven Haltung auf. "Blockade ist keine Haltung für eine verantwortungsvolle Opposition", warnte sie. Nicht verhandelbar sei für sie, dass es bei dem Projekt "in erster Linie um Respekt" gegenüber den Menschen gehe.
Ähnlich äußerte sich am Montag Grünen-Chefin Lang. "Man kann über alles gerne reden", sagte sie mit Blick auf mögliche Gespräche mit der Union. Dabei sei aber "Geschwindigkeit geboten". Lang deutete an, dass sie bei Streitthema Schonvermögen wenig Spielraum sehe: Die geplante Regelung in diesem Bereich sei "ein zentraler Bestandteil dieses Bürgergelds".
CSU-Chef Markus Söder kritisierte das geplante Bürgergeld als ein "falsches Signal". Im ZDF-"Morgenmagazin" sagte Söder, das Projekt sei eine "völlige Umkehr des Grundsatzes: Wer mehr arbeitet, muss mehr haben als der, der nicht arbeitet." Es sei "völlig absurd", dass trotz Arbeitskräftemangels "nicht einmal die Möglichkeit bestehen könnte, jemanden zu motivieren, eine Arbeit anzunehmen".
Der Grünen-Sozialpolitiker Frank Bsirske wies Söders Argumentation verärgert zurück. "Söder nimmt sich offenbar Trump zum Vorbild, indem er Fake News zum Bürgergeld verbreitet", sagte Bsirske der Nachrichtenagentur AFP. "Fakt ist: Es lohnt sich immer, arbeiten zu gehen, statt Bürgergeld zu beziehen. Sanktionen bleiben auch in Zukunft möglich."
Der Entwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sieht vor, dass die Bezieherinnen und Bezieher des Bürgergelds eine halbjährige "Vertrauenszeit" genießen, in der den Betroffenen nur eingeschränkt Leistungskürzungen drohen - und zwar, wenn sie mehrfach einen Termin beim Jobcenter verpassen. Nach den sechs Monaten drohen zusätzlich weitere Leistungskürzungen bei Pflichtverletzungen - etwa wenn der Betroffene eine zumutbare Stelle nicht antritt.
Der Union geht allerdings auch die auf sechs Monate begrenzte "Vertrauenszeit" zu weit. Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion im Bundestag, Axel Knoerig (CDU), sagte AFP, die "Vertrauenszeit" setze die "falschen Anreize": "Das Prinzip des Förderns und Forderns darf nicht ausgehöhlt werden", sagte er. Bei den Bezieherinnen und Beziehern müsse "vom ersten Tag an alles dafür unternommen werden, um wieder in Arbeit zu kommen".
Die Sozialverbände verteidigten hingegen die Ampel-Pläne für das Bürgergeld. Die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, kritisierte es als "einfach unanständig", mit einer Blockade zu drohen. "In der Krise brauchen alle, die wenig haben, Unterstützung."
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, rechtfertigte die Pläne für eine Anhebung des Schonvermögens. Es sei sinnvoll, das Menschen, "die eine Weile keine Arbeit finden", nicht gleich ihr ganzes Geld "für die Altersvorsorge oder ähnliches aufbrauchen müssen", sagte sie dem Sender Bayern2.
G.Loibl--MP