Koalition will mit Union über Bürgergeld reden - aber nur zu "Detailfragen"
Die Ampel-Koalition hat im Streit mit der Union um das Bürgergeld Bereitschaft zum Kompromiss signalisiert. SPD-Chefin Saskia Esken bezog dies am Montag aber auf "Detailfragen" und lehnte grundlegende Änderungen an den Regierungsplänen für die Ablösung von Hartz IV ab. Die Union bekräftigte ihre Kritik an der geplanten Lockerung von Sanktionen für Arbeitssuchende und der Höhe des vorgesehenen Schonvermögens.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sah den Start des Bürgergelds zum 1. Januar dennoch nicht in Gefahr. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass es gelingt, dieses sorgfältig und breit diskutierte Gesetzgebungsvorhaben vor dem Jahresende zum Abschluss zu bringen."
Die Union hatte in den vergangenen Tagen mit einer Blockade des Vorhabens im Bundesrat gedroht, was den geplanten Start zum 1. Januar verhindern könnte. Politiker von CDU und CSU kritisieren, dass der weitgehende Verzicht auf Sanktionen gegen Bezieherinnen und Bezieher den Anreiz zur Aufnahme einer Arbeit mindere. Außerdem halten sie das geplante Schonvermögen für zu hoch. Es soll in den ersten 24 Monaten bei 60.000 Euro für den eigentlichen Leistungsbezieher liegen und bei 30.000 Euro für jedes weitere Mitglied der Bedarfsgemeinschaft.
SPD-Chefin Esken forderte die Union zu einer konstruktiven Haltung auf. "Blockade ist keine Haltung für eine verantwortungsvolle Opposition", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Montag. Auch Grünen-Chefin Ricarda Lang zeigte sich offen für Gespräche mit der Union. Sie deutete aber an, dass sie beim Streitthema Schonvermögen wenig Spielraum sehe: Die geplante Regelung in diesem Bereich sei "ein zentraler Bestandteil dieses Bürgergelds".
CSU-Chef Markus Söder kritisierte das Bürgergeld als ein "falsches Signal". Im ZDF-"Morgenmagazin" sagte Söder, das Projekt sei eine "völlige Umkehr des Grundsatzes: Wer mehr arbeitet, muss mehr haben als der, der nicht arbeitet." Es sei "völlig absurd", dass trotz Arbeitskräftemangels "nicht einmal die Möglichkeit bestehen könnte, jemanden zu motivieren, eine Arbeit anzunehmen".
Der Grünen-Sozialpolitiker Frank Bsirske wies Söders Argumentation verärgert zurück. "Söder nimmt sich offenbar Trump zum Vorbild, indem er Fake News zum Bürgergeld verbreitet", sagte Bsirske der Nachrichtenagentur AFP. "Fakt ist: Es lohnt sich immer, arbeiten zu gehen, statt Bürgergeld zu beziehen. Sanktionen bleiben auch in Zukunft möglich."
Der Entwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sieht vor, dass die Bezieherinnen und Bezieher des Bürgergelds eine halbjährige "Vertrauenszeit" genießen, in der den Betroffenen nur eingeschränkt Leistungskürzungen drohen - und zwar, wenn sie mehrfach einen Termin beim Jobcenter verpassen. Nach den sechs Monaten drohen zusätzlich weitere Leistungskürzungen bei Pflichtverletzungen - etwa wenn der Betroffene eine zumutbare Stelle nicht antritt.
Der Union geht allerdings auch die auf sechs Monate begrenzte "Vertrauenszeit" zu weit. Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion im Bundestag, Axel Knoerig (CDU), sagte AFP, die "Vertrauenszeit" setze die "falschen Anreize": "Das Prinzip des Förderns und Forderns darf nicht ausgehöhlt werden", sagte er. Bei den Bezieherinnen und Beziehern müsse "vom ersten Tag an alles dafür unternommen werden, um wieder in Arbeit zu kommen".
Die Sozialverbände verteidigten hingegen die Ampel-Pläne für das Bürgergeld. Die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, kritisierte es als "einfach unanständig", mit einer Blockade zu drohen.
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, rechtfertigte im Sender Bayern2 die Pläne für eine Anhebung des Schonvermögens. Es sei sinnvoll, dass Menschen, "die eine Weile keine Arbeit finden", nicht gleich ihr ganzes Geld "für die Altersvorsorge oder ähnliches aufbrauchen müssen".
D.Richter--MP