Koalition warnt Union eindringlich vor Blockade des Bürgergelds
Wenige Tage vor der Bundestagsentscheidung über die Einführung des neuen Bürgergeld haben Koalitionspolitiker die Union eindringlich vor einer Blockade gewarnt. SPD-Chef Lars Klingbeil warf der Union am Wochenende den Versuch vor, wirtschaftlich schwache Gruppen gegeneinander auszuspielen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) warnte CDU/CSU vor einem "Schäbigkeitswettbewerb". Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich allerdings zuversichtlich, dass die neue Sozialleistung wie geplant zum Jahreswechsel kommen könne.
Das Bürgergeld soll nach den Regierungsplänen zum 1. Januar Hartz IV ersetzen. Es zählt zu den sozialpolitischen Kernvorhaben der Ampel-Koalition. Die Union droht allerdings mit einer Blockade des Vorhabens im Bundesrat.
Die Ampel-Fraktionen hatten am Freitag versucht, auf die Union zuzugehen, um noch eine Zustimmung im Bundesrat zu erreichen. Ein von ihnen erstellter Änderungsantrag sieht Zugeständnisse an die Unionskritik etwa bei der Übernahme von Heizkosten und Umzugskosten vor.
Der Union geht dies aber nicht weit genug. Die Zugeständnisse "ändern nichts an unserer Grundsatzkritik", sagte der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Stephan Stracke (CSU), am Sonntag der "Welt". "Die Union wird auf dieser Basis weiter Nein zu den Bürgergeld-Plänen sagen."
Zuvor hatte Minister Lindner der "Welt am Sonntag" gesagt: "Ich bedauere den populistischen Impuls der Union, die nicht erkennt, dass es hier um Lebensleistung geht." Er rate der Union davon ab, bei der geplanten Höhe des Schonvermögens "in einen Schäbigkeitswettbewerb einzutreten".
Politiker von CDU und CSU kritisieren, dass Bürgergeld in den ersten 24 Monaten auch bezogen werden kann, wenn Betroffene hohe Rücklagen haben. Hier soll eine Grenze von 60.000 Euro für den eigentlichen Leistungsbezieher und 30.000 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied gelten. Darüber hinaus argumentieren Unionsvertreter, dass der weitgehende Verzicht auf Sanktionen gegen Bezieherinnen und Bezieher den Anreiz zur Aufnahme einer Arbeit mindere.
Lindner sagte zum Schonvermögen: "Wenn Menschen aufgrund eines Schicksalsschlags in den Bezug rutschen, sollten sie nicht das verzehren müssen, was sie sich vielleicht über Jahrzehnte aufgebaut hätten."
SPD-Chef Klingbeil sagte am Samstag auf einer SPD-Veranstaltung: Ziel der Union sei es, "die Gesellschaft zu spalten". Es würden "diejenigen, die wenig verdienen, gegen diejenigen, die auf den Staat gerade angewiesen sind, gegeneinander ausgespielt". Klingbeil kritisierte Angaben aus der Union als Falschdarstellung, dass Bürgergeld-Bezieher im Vergleich zu Arbeitnehmern mit niedrigen Einkommen künftig mehr Geld zur Verfügung hätten.
Grünen-Chefin Ricarda Lang kritisierte im Redaktionsnetzwerk Deutschland die Haltung der Union. "Wer konkrete Reformen blockieren will, die für Millionen von Menschen in Zeiten akuter Inflation einen spürbaren Unterschied machen, hat sich offenkundig entschieden, Partei der sozialen Kälte zu sein."
Kanzler Scholz zeigte sich zuversichtlich, den Widerstand der Union überwinden zu können. Er sei "sehr froh", dass das Bürgergeld "aller Voraussicht nach zum Jahreswechsel" komme, sagte Scholz am Samstag. Dafür müssten nun die notwendigen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat zustandekommen. "Ich glaube schon, dass man da Zuversicht haben kann."
Die verschiedenen Reformen seiner Regierung zielten darauf, "dass Arbeit sich besser lohnt", betonte Scholz und nannte auch das Wohngeld für Erwerbstätige mit geringen Einkommen oder höhere Kinderzuschüsse. Der Kanzler wies Vermutungen zurück, es gebe viele Menschen, die nicht arbeiten und lieber von Sozialleistungen leben wollten. "Die meisten von uns arbeiten gerne", sagte der Kanzler.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Meine Hand ist gegenüber den CDU-Ministerpräsidenten ausgestreckt." Es werde vor der Abstimmung des Bundestag kommende Woche noch zahlreiche Änderungen geben, "die auch den Wünschen der Länder entsprechen".
A.Weber--MP